Süddeutsche Zeitung

Germering:Weiter Weg zum Klimaziel

Strom und Wärme, die in Germering verbraucht werden, stammen zum größten Teil immer noch aus der Verbrennung von Öl und Gas. Mit Hilfe von Erdwärme und Sonne könne ein Umsteuern gelingen, sagt eine Expertin

Von Andreas Ostermeier, Germering

Die Stadt Germering kann aus erneuerbaren Energien schöpfen und den Verbrauch von Öl und Gas senken. Dafür müsste sie auf Photovoltaik und Geothermie setzen. Laut Petra Denk verfügt Germering hierfür auf dem Stadtgebiet über Potenziale: freies Gelände und Dächer für die Photovoltaik sowie heißes Wasser in Richtung Freiham, das auch die Stadt München nutzen möchte. Denk ist Professorin an der Hochschule Landshut für Energie und Betriebswirtschaft. Sie erarbeitet mit der Stadt Germering einen Energienutzungsplan. Ziel ist es, die klimaschädlichen Emissionen von Haushalten, Gewerbe und öffentlichen Gebäuden zu senken.

Der Energieverbrauch in Germering (ohne Berücksichtigung des Verkehrs) beträgt laut Denk etwa 450 Gigawattstunden im Jahr. 80 Prozent davon werden fürs Heizen von Häusern, Geschäften und Büros sowie öffentlichen Einrichtungen verbraucht. Der gesamte Stromverbrauch beträgt nur 20 Prozent der eingesetzten Energie. Hauptnutzer von Wärmeenergie sind mit 61 Prozent die Haushalte. Und sie heizen zu fast der Hälfte noch mit Öl, für knapp 30 Prozent der Wärmeerzeugung wird Erdgas eingesetzt. Die Klimabilanz fällt entsprechend aus: Jeder Germeringer verursacht pro Jahr im Durchschnitt drei Tonnen Kohlendioxid (ohne Verkehr). Sollen die Klimaziele bis 2030 eingehalten werden, muss mindestens eine Tonne Kohlendioxid (CO₂) pro Person eingespart werden.

Wie kann dies gelingen? Da gibt es die Einsparungen durch die Sanierung und Modernisierung. Das heißt, bisherige Heizungen werden durch neue, die weniger CO₂ emittieren, ersetzt. Je nach Sanierungsfortschritt lassen sich auf diese Weise laut einer Prognos-Studie bis zu zehn Prozent der Emissionen einsparen. Denk relativiert diesen Erfolg allerdings, denn die Bevölkerung Germerings bleibt bis Ende des Jahrzehnts nicht auf dem heutigen Stand. Sie wächst - und das wird wohl den Sanierungserfolg egalisieren.

Deshalb müsse mehr passieren, sagt die Wissenschaftlerin. Sie sieht im Ausbau der erneuerbaren Energien in Germering aber "echt Potenzial". Dabei rechnet sie mögliche Erträge aus der Windkraft gar nicht ein, weil es in diesem Bereich - Stichworte: Zehn-H-Regel und Nähe zu Flughäfen - noch Hindernisse gibt, die die Stadt nicht beiseite räumen kann. Allerdings hält Denk in diesem Bereich die Erzeugung von bis zu 26 Gigawattstunden für möglich, wie sie sagt.

Einfluss hat die Stadt dagegen auf die Zahl der Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen). Etwa 350 solcher Anlagen gibt es bisher in Germering. Das ist Denk zu wenig. "Da geht mehr", sagte sie und stellt Rechnungen vor, nach denen auf den Dachflächen der Stadt knapp 90 Gigawattstunden Strom pro Jahr erzeugt werden könnten, was dem gesamten aktuellen Stromverbrauch von Haushalten, Wirtschaft und öffentlichen Einrichtungen eines Jahres entsprechen würde. Würden zudem sämtliche freien Flächen, beispielsweise entlang der Autobahn für das Aufstellen von PV-Anlagen genutzt, kämen weitere 38 Gigawattstunden hinzu.

Solarthermie, also Warmwasseraufbereitung durch die Sonne, lässt Denk beiseite. Der Trend gehe zur Erzeugung von Strom, sagt sie. Mit Hilfe von Wärmepumpen könne damit auch geheizt werden. Das Potenzial für die Produktion von Solarstrom im Stadtgebiet bezeichnet sie als "hoch". Allerdings gehören die allermeisten Dächer und auch ein Großteil der Freiflächen nicht der Stadt. Darauf machen Denk und Oberbürgermeister Andreas Haas aufmerksam. Die Stadt müsste also Hausbesitzer, Firmenchefs und Grundstückseigentümer für den Ausbau der Photovoltaik gewinnen. Denk weist in diesem Zusammenhang auf die Förderprogramme von Bund und Ländern hin.

Um den Wärmebedarf zu decken, hat die Stadt sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit der Geothermie befasst. Im Boden gibt es in naher Umgebung heißes Wasser, das ist bekannt. Die Stadt München hat deshalb auch ein Kraftwerk in Freiham errichtet. Auch in Puchheim ist über Erdwärme als eine Option der Energiegewinnung diskutiert worden, allerdings haben sich dort die Einwohner mehrheitlich gegen eine Nutzung ausgesprochen. Denk sieht in der Tiefengeothermie eine große Energiereserve für Germering. Bis zu 98 Gigawattstunden pro Jahr ließen sich aus dieser Quelle schöpfen, sagt die Landshuter Professorin in ihrem Referat vor den Stadträten.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2021
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