Germering:Von Poetry-Slam bis zur Klangschaufel

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Lukas Buczek (vorne) erzählt von der Reise eines 50-Euro-Scheins, von Drogen, Alkohol und Prostitution bis zur Friede-Freude-Eierkuchen-Welt. (Foto: Johannes Simon)

Auf der "bunten Bühne" in Germering überzeugen Künstler aller Gattungen das Publikum

Von Sonja Pawlowa, Germering

Die "Bunte Bühne", die bereits zum fünften Mal in der Germeringer Stadtbibliothek stattgefunden hat, hat dieses Mal tatsächlich sehr bunt präsentiert. Denn die Künstler hätten unterschiedlicher kaum sein können. Von Lyrik bis Rap, von jung bis alt, von Germering bis Syrien - bei dem zweistündigen Programm war für jeden etwas dabei. Nur eines nicht: Eine Bühne in bunten Farben.

Nach einleitenden Worten von Gerhard Salz übernahmen Martin Pollok und Benedikt Hakel die Moderation und zeigten Auszüge ihres literarischen Schaffens. Sie bilden den Kern der Künstlergruppe "Wortfamile", die alljährlich die Bunte Bühne organisiert. Finanzielle Interessen verfolgt die Gruppe nicht. Der Erlös der Veranstaltung ging daher auch als Spende an den Verein Orienthelfer.

Emil Kafitz machte den fulminanten Auftakt. In bester Tradition des Poetry Slams feuerte er seinen Text in einer explosionsartigen Geschwindigkeit wie einen Trommelwirbel ab, fehlerlos im freien Vortrag. Grandios der Text: Eine höchst anspruchsvolle philosophische Betrachtung, gleichsam eine Huldigung an die, die sich nicht in selbstgefälligem Schubladendenken einlullen, sondern sogar an ihrem Zweifeln verzweifeln. Der Schüler organisiert Poetry Slams und gewann zuletzt den Cordobar-Slam 2017.

Als zwei weitere Vertreter des Germeringer Poetry-Nachwuchses präsentierten sich Sophie Schumacher und ihr Bekenntnis zum individuellen Denken, sowie Lukas Buczek mit der Geschichte eines 50-Euro-Scheins, die durch eine Talsohle von Alkohol, Drogen und Prostitution in eine Friede-Freude-Eierkuchen-Welt führt.

Anders als die auf Wortakrobatik reduzierten Poetry-Beiträge, bot Multitalent Michi Marchner einen barocken Schmaus für Auge, Ohr und Lachmuskeln. In seinem ersten Auftritt vor der Pause drehte sich alles rund um das Märchen "Der Fischer und seine Frau", das er witzig, frech und vor allem auch musikalisch auf die Schippe nahm. Was mit Ilsebill geschah, blieb offen und das Geheimnis wurde auch nach der Pause nicht gelüftet. Schräge Reime, zotige Witze und die spontane Einbindung des Publikums machten Laune und brachten Entspannung. Doch kaum entspannt, erstarrte das Publikum erneut vor Spannung und Neugier. Ausgerüstet mit einer "Klangschaufel" - einem Spaten mit Saiten - und einem deutschen Didgeridoo, das aus einem Abflussrohr bestand, erwuchs Marchner als leibhaftiger Ravi Shankar auf der Bühne. "Wichtig ist, dass man ein neues Abflussrohr benutzt, und kein Second-Hand-Rohr. Sonst wird der Sound sch..."

Eine feinere Komik entstand beim Auftritt von Anton G. Leitner, der aus seinem Buch "Schnabigwax" las. Seine bairischen Gedichte hat er selbst ins Hochdeutsche übersetzt. In der direkten Gegenüberstellung wurden ganz klar die Mundartsprecher bevorteilt. Unterschwellig könnte man die Übersetzung der völlig unpolitischen Texte als Angriff auf eine humorlose deutsche Übermacht werten.

Den Gegenbeweis lieferte die "Physik des Scheiterns" von Georg "Grögi" Eggers, die die Zuschauer zum Gröhlen brachte. Eggers Wortkunst paarte sich mit einer großartigen darstellerischen Leistung, ob es nun um den "kleinen Tofu" ging, der, von einem Spülschwamm dargestellt, in den Sonnenuntergang blickt, oder um die Gefahr beim Aufbau eines Ikea-Bücherregals - einem Text, der von Wilhelm Busch stammen könnte.

Die Palette der bunten Darbietungen reichte von Svende Bielefeld und ihrer gefühlvollen Lyrik über Peter Seitz und seine anekdotische Schweinsbratengeschichte bis zu Stefan Metzger mit Gedanken zu Politik und Wählerverhalten und Horst Oberbeil und seinen kurzen Gedichten zum Schmunzeln.

Buntheit im aktuellen Sinne zeigte sich bei einem kulturübergreifenden Beitrag. "Minarette umarmen Kirchenglocken" hieß es da im Gedicht der tunesisch-stämmigen Kaouter Tabai, die sowohl auf arabisch als auch ihre eigene deutsche Übersetzung las. Übersetzt hat sie auch das arabischsprachige Gedicht von Fwaz Kadrie über die Flucht aus Syrien, das der Dichter im Original vortrug. Unterstützt wurde er von Gerhard Salz mit der deutschen Version. Und bei aller Buntheit des Programms war die Bühne in der Stadtbibliothek farblich sehr dezent gehalten. Besser als andersrum.

© SZ vom 21.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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