Süddeutsche Zeitung

Germering:Verschollener Bürgermeister

Zum Vorlesetag kommt Andreas Haas in die Germeringer Stadtbibliothek und zeigt, wie viel Spaß ihm die Rolle des Erzählers macht. Auch die Kinder freuen sich über den Besucher

Von Florian J. Haamann, Germering

Sollte es bei der anstehenden Kommunalwahl für Oberbürgermeister Andreas Haas nicht für den Wiedereinzug ins Rathaus reichen, gibt es bereits einen neue Aufgabe, die der 58-Jährige wunderbar ausfüllen würde: die des Vorlesers. Davon konnten sich die Besucher bei seinem Auftritt in der Stadtbibliothek anlässlich des bundesweiten Vorlesetags überzeugen. Mit soviel Freunde und Engagement hat er seinen jungen Zuhörern die Geschichte der Mumpitze vorgetragen, man hätte meinen können, dass er nie etwas anderes getan hat.

Es war aber auch die passende Geschichte, die die Bibliotheksmitarbeiterinnen für Haas ausgesucht hatten: " Die Mumpitze - Der entführte Bürgermeister". "Als ich gesehen habe, dass da ein Bürgermeister vorkommt, musste ich es lesen", verrät Haas seinen etwa 20 Zuhörern. In der Geschichte sei der Bürgermeister allerdings nicht der Haas, sondern Kalle Panowski, eine Kröte. Ein echter Hase kommt in der Erzählung dann aber doch vor, Rasmus, der Sekretär des Bürgermeisters. Nachdem der echte Bürgermeister also anhand von zwei großen Ausdrucken, die er dann auf der Sitzbank neben sich aufstellt, die Figuren eingeführt hat, schlägt er das Buch auf und beginnt zu lesen. Die neugierigen Kinder haben sich auf den gelben, blauen und roten Sitzkissen direkt vor Haas gesetzt, die etwas Schüchternen sitzen auf dem Schoß ihrer Eltern oder etwas entfernt, die Unruhigen toben wild durch den Raum.

"Kalle, du solltest in Zukunft weniger essen. Ich kann nicht dauernd deine Nähte erweitern", beginnt Haas zu lesen. Denn der Bürgermeister war gerade in der Puppenklinik zur Reparatur. "Als Bürgermeister ist man doch ständig auf Empfänge eingeladen", liest Haas mit bester Erzählerstimme weiter und setzt ein breites Grinsen auf, als Kalle erzählt, dass es doch unhöflich sei, die dort angebotenen Häppchen auszuschlagen. Wie Kalle im Buch reibt sich dabei auch Haas genüsslich über den Bauch. Von den Kindern erntet er dafür ein freudiges Lachen. Noch ans leckere Essen denkend, verlässt Kalle die Klinik und wird entführt, das Drama beginnt.

"Ich bin ja schon gespannt, wie es weitergeht", lässt Haas seine Zuhörer wissen. Und herzlich-offen wie Kinder nun einmal sind, frag ihn ein blonder Junge: "Du hast das doch bestimmt schon gelesen?" Ja, das habe er, muss Haas dann wieder mit einem Grinsen zugeben, findet aber gleich die passende Antwort. "Aber ich weiß nicht, wie das bei dir ist, aber ich lese Bücher gerne noch ein zweites Mal, weil man dann immer neue Dinge entdeckt".

Mit seinem aufrichtig mitfiebernden Vortrag schafft es Haas, die meisten Kinder in die Geschichte zu ziehen, geht gemeinsam mit ihnen und den Freunden von Kalle auf die Suche nach dem verschollenen Bürgermeister. Als der echte Bürgermeister dann irgendwann zum Ende seiner Lesestunde kommt, fragt er die Kinder: "Jetzt wollt ihr sicher wissen, wie es weitergeht?" und weil Kinder eben so wunderbar herzlich-offen sind, entgegnen ihm die meisten mit einem trockenen: "Nein". Haas nimmt natürlich auch das gelassen und findet dann doch noch etwas, mit dem er die Kinder überzeugt. Zum Abschluss verteilt er eine große Kiste Gummibärchen, die reißenden Absatz findet.

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Quelle:
SZ vom 22.11.2019
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