Süddeutsche Zeitung

Germering:Verbot mit Einschränkung

Germering will Grabsteine aus Kinderarbeit bannen, die Kontrolle ist aber schwierig

Von Andreas Ostermeier, Germering

Auf Germeringer Friedhöfen sollen keine Grabsteine mehr aufgestellt werden, die aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammen. Das hat der Stadtrat auf Antrag der Grünen-Fraktion einstimmig beschlossen. Hintergrund des Antrags ist, dass ein Großteil der Natursteine, die für Grabmale genutzt werden, aus Indien und China stammen und dort oft von Kindern gefertigt werden. Diese Arbeit schadet den Buben und Mädchen gesundheitlich, zudem stehen sie oftmals noch in Schuldknechtschaft, das heißt, sie müssen mit ihrem Lohn Schulden ihrer Eltern oder Verwandter abbezahlen. Aus diesen und anderen Gründen haben beispielsweise Eichenau und Puchheim sowie die Landeshauptstadt München bereits beschlossen, dass auf ihren Friedhöfen nur noch zertifizierte Grabsteine zugelassen sind.

Momentan existieren mehrere Zertifikate, mit denen bestätigt werden soll, dass Natur- und Grabsteine sowie Grabumrandungen nicht aus Kinderarbeit stammen. Weitere Anforderungen der Zertifizierer an die Betriebe sind, dass wenigstens Mindestlöhne gezahlt und Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten werden. Für Germeringer Steinmetzbetriebe wie Witt und Völkl sind die Zertifikate nichts Neues. Sie erhalte solche Bestätigungen für ihre Ware aus Indien, sagt Inhaberin Angelika Seemann. Den allergrößten Anteil ihrer Steine bekommt sie jedoch aus dem fränkischen Kronach. Dorthin werden große Gesteinsblöcke geliefert und dann in die einzelnen Steine zerkleinert und poliert. Ähnlich äußern sich nach Angaben der Stadtverwaltung auch andere Steinmetzbetriebe in Germering. Beim Ankauf von Steinen aus Ländern außerhalb der EU erhalten sie Bescheinigungen.

An der Regelung für die Zertifikate entzündete sich aber die Kritik im Stadtrat. Christian Ganslmeier (CSU) nannte den von Grünen-Stadträtin Filiz Gropper-Schäftner begründeten Antrag eine "begrüßenswerte Initiative", merkte aber an, dass ohne vorgeschriebene Qualitätsstandards wenig sicher sei. Dagmar Hager, Leiterin des Rechtsamts der Stadt, sagte, einer Kommune sei es in Bayern gesetzlich nicht möglich, ein zertifiziertes Siegel zu verlangen, auch wenn sie ein Verbot von Grabsteinen aus Kinderarbeit in der Satzung stehen habe. Denn der Freistaat räumt als Gesetzgeber die Möglichkeit ein, dass eine einfache Erklärung ausreicht, wenn die Vorlage eines Nachweises "unzumutbar" sei. In so einem Fall genügt es, wenn der Letztveräußerer schriftlich zusichere, dass ihm keine Anhaltspunkte dafür bekannt seien, dass Grabsteine oder Grabeinfassungen mit Kinderarbeit hergestellt worden sind, oder darlege, welche Maßnahmen ergriffen worden seien, um die Verwendung von Grabsteinen aus Kinderarbeit zu vermeiden. So steht es im bayerischen Bestattungsgesetz.

Diese Formulierung kritisiert auch der bayerische Städtetag. In einer Stellungnahme heißt es, es gebe für Natursteine kein anerkanntes Zertifizierungsverfahren. Die Kommunen würden in der Beurteilung allein gelassen. Der kommunale Spitzenverband fordert deshalb von der Staatsregierung, im Bestattungsgesetz ein Verbot von Steinen aus Kinderarbeit festzulegen. Ein solches Verbot hat beispielsweise das Land Nordrhein-Westfalen. Dieses schreibt die Zertifizierung durch öffentlich anerkannte Stellen vor. Grünen-Stadtrat Sepp Dürr schloss sich der Kritik der Stadtverwaltung und des Städtetags an. Der Gesetzgeber solle "nachlegen", sagte Dürr und regte an, die Forderung nach einer gesetzlichen Änderung bei staatlichen Stellen vorzubringen. Ein Verbot in der Friedhofssatzung nannte er einen ersten Schritt, dessen Außenwirkung nicht unterschätzt werden sollte.

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SZ vom 03.05.2021
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