Süddeutsche Zeitung

Germering:Ur-Germering

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Das Museum Zeit und Raum eröffnet seine Dauerausstellung über die Frühgeschichte der Stadt. Die Sammlung soll nach und nach erweitert werden

Von Viktoria Großmann, Germering

In schönen Zeiten lebten die Menschen früher. Zumindest in Zeiten mit schönen Namen - die Glockenbecherkultur etwa zwischen 2800 und 2200 vor Christus. In dieser letzten Phase der Jungsteinzeit stellten die Germeringer Gefäße in Form von umgestürzten Glocken her, ihre Toten bestatteten sie je nach Geschlecht verschieden: die Männer mit dem Kopf zum Norden auf der linken Körperseite ruhend, Frauen auf der rechten Seite mit dem Kopf nach Süden. Gräber und Brunnen aus dieser Zeit hat man in Germering gefunden. Wie auch aus anderen Epochen der Menschheitsgeschichte. Seit dieser Woche haben die Fundstücke ein endgültiges Zuhause gefunden: Das Museum Zeit und Raum öffnet am Sonntag, 14. September, zugleich landesweiter Tag des offenen Denkmals, erstmals seine Dauerausstellung für Besucher.

Fünfzehn Jahre ist es her, dass sich der Förderverein Stadtmuseum Germering e.V. gegründet hat. 100 000 Euro haben seine Mitglieder in diesen Jahren zusammengebracht; ihre Idee und ihr Ziel war es, einen Ort zu finden für die Ausgrabungsstücke, die sonst nur in Archiven liegen würden und die Funde somit sichtbar zu machen. Das Museum wird nun immer sonntags geöffnet sein von 10 bis 16 Uhr, die Vereinsmitglieder wechseln sich mit den ehrenamtlichen Aufsichtsschichten ab.

Das Museum entstand also und wird betrieben mit viel bürgerschaftlichem Engagement, jedoch unterstützt die Stadt den Verein. So ist sie auch Hausherr im Museum, das ehemalige Feuerwehrhaus hinter dem Rathaus ist Eigentum der Stadt. Jene Wissenschaftler, die das Museum gefüllt, die Stücke aus dem Boden geholt, untersucht, archiviert, für das Museum beschriftet und die Informationstafeln geschrieben haben, arbeiten ebenfalls für die Stadt: Archivar Marcus Guckenbiehl und Archäologin Delia Hurka.

Die 32-Jährige stammt aus Germering, hat in München Vor- und Frühgeschichte studiert und beim Landesamt für Denkmalschutz gearbeitet. Dass in Germering so viele Funde geborgen werden, sei vor allem Stadtarchivar Guckenbiehl und dessen Vorgänger zu verdanken, sagt Hurka. In Germering habe sich über die Jahrzehnte die Einstellung zu dieser Art Bodenschätzen sehr positiv verändert. "Die Gräberanlage am Krippfeld, die bei man Bauarbeiten in den sechziger Jahren fand, wurde größtenteils zerstört." So etwas, glaubt sie, würde heute nicht mehr passieren.

Das, was aus dem Krippfeld gerettet wurde, ist dennoch sehr beeindruckend. Die Forscher waren hier auf eine frühmittelalterliche Grabanlage aus dem 7. und 8. Jahrhundert gestoßen. In den Schaukästen liegen Spangen und Klingen. Im Grab einer offenbar wohlhabenden Frau fand man Schmuck, die Frau trug wohl ein knielanges Kleid - jedoch war die Stätte nicht unversehrt. Grabräuber hatten schon bald nach der Bestattung ihre Ruhe gestört.

Die Ausstellung mag auf den ersten Blick nicht groß wirken, doch ist sie unglaublich reich: an Informationen, an Wissen, an Details. Geschichte wird im Kleinen eben oft noch einmal so interessant. Zu wissen, dass diese Funde aus dem Ort stammen, in dem man lebt, verleiht ihnen eine besondere Aura. Germering liegt an Grenze zwischen Münchner Schotterebene und Moos, deshalb war das Gebiet schon früh besiedelt, erklärt Marcus Guckenbiehl. Hier mussten die Menschen nicht tief graben, um einen Brunnen zu bauen, denn der Grundwasserspiegel ist hoch. Diese Brunnen sind heute besonders wertvoll für die Forscher. Sie finden in den Überresten Scherben, aber auch Tierknochen. Anhand derer lässt sich feststellen, dass die Ur-Germeringer bereits Nutztiere züchteten und wenig jagten.

Aus dem Material von Gefäßen und selbst aus Steinchen können Forscher schließen, woher die Menschen Material für ihre Alltagsgegenstände bezogen. Ein besonders wertvoller Fund ist ein Silberarmreif, der Aufschluss darüber geben kann, ob die frühen Siedler Beziehungen nach Italien oder Böhmen hatten, denn Silber war rar in dieser Gegend.

Das Museum ist noch nicht fertig und wird es wohl glücklicherweise niemals sein. Noch werden einige Fundstücke von Guckenbiehl und Hurka oder von deren Kollegen im Landesamt für Denkmalpflege untersucht. Darunter seien möglicherweise Stücke von landesweiter Bedeutung, sagt Guckenbiehl. Sie werden nach und nach der Sammlung hinzu gefügt - und auf den Baustellen Germerings und in Unterpfaffenhofen ist vermutlich noch einiges verborgen.

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Quelle:
SZ vom 13.09.2014
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