Helmut Schmidt kommt zügig zum Konsumverzicht als wirksamstes Mittel der Ressourcenschonung. Das Vorstandsmitglied der Umweltakademie München ist Experte für das Thema Kreislaufwirtschaft und beschäftigt sich mit den Folgen „unseres Produktions- und Konsumstils“, wie er bei dem vom „Bündnis Zukunft Germering“ im Gemeindesaal der Bonhoeffer-Kirche organisierten Vortrag formulierte. „Unsere Lebensweise ist hochdramatisch“, meinte Schmidt gleich zu Anfang. „Würde die Welt so leben wie wir in Deutschland, würden drei Erden gebraucht.“
Das mit den drei Erden klingt sehr eindrucksvoll. Es wird nur noch durch die USA getoppt, deren Lebensstil fünf Erden nötig hätte. Indien dagegen kommt bisher nur auf 0,7 Erden; der weltweite Durchschnitt beträgt 1,75 Erden. Die Verschwendung von Ressourcen ist besonders in den Metropolen enorm und offenbar auch gewollt. Die Recyclingquoten dagegen eher überschaubar. Beträgt sie bei Bauabfällen über 90 Prozent, „sind von 16 Tonnen Kunststoff nur 16 Kilogramm recyclingfähig“, sagt Schmidt. Er kommt schnell zum Lebensstil der Menschen. „Unser Wasserbedarf beträgt 125 Liter pro Person und Tag“, beginnt er mit einem Grundstoff des Lebens und geht umgehend zum Produktions- und Konsumstil über: „Die Herstellung einer Jeans benötigt 8000 Liter Wasser.“
Reduktion des Ressourcenverbrauchs
Als Grundlagen einer Kreislaufwirtschaft wären Ressourcenschonung inklusive umweltschonender Produktion, Abfallvermeidung und Wiederverwendung notwendig. Als Hauptbereiche zählt Schmidt Lebensmittel, Textilien, Verpackungen, Elektronik, Kunststoffe, Batterien und Altautos auf. Von einer Reduktion des Ressourcenverbrauchs sei jedoch auch in Deutschland nichts zu merken. Deklamatorisch möchte die Bundesregierung mit ihrer Kreislaufwirtschaftsstrategie die Recyclingquote wesentlich erhöhen und bis 2050 die Treibhaus-Emissionen um 30 bis 50 Prozent reduzieren. Bisher würden laut Schmidt nur 14 Prozent der Sekundärrohstoffe in neue Produkte umgesetzt.
Produktveränderungen, die nachhaltiger sind, sind dringend notwendig. Schmidts Beispiel: „Ein Zahnrad aus Metall ist besser als eines aus Kunststoff.“ Besonders beim Bauen könnte durch längere Nutzung der Ressourcenverbrauch erheblich gesenkt werden. Statistisch betrage der in München 32 Tonnen pro Person und Jahr, deutschlandweit durchschnittlich 16 Tonnen. In CO2-Emissionen gerechnet liegt der Münchner mit 23 Millionen Tonnen pro Person ebenfalls weit vor dem deutschen Durchschnittsbürger mit 14 Millionen Tonnen.
Es werden zu viel Kleidung und Lebensmittel gekauft
Natürlich könnten mit Sharing-Modellen in allen Bereichen Ressourcen eingespart werden, aber ganz wesentlich sei der Konsumverzicht der Menschen. Bei der Suffizienz, also beim überflüssigen Konsum, „ist eine Revolution notwendig“, forderte Schmidt. So würde heute sechsmal mehr Kleidung gekauft als vor 40 Jahren. Erheblich falsch eingekauft würde auch bei Lebensmitteln, weil 50 Kilogramm Lebensmittel pro Jahr in jedem Haushalt durchschnittlich weggeworfen werden. Auch viele Unternehmen wären bei der Ressourcenverschwendung vorn dabei und sendeten falsche Signale. So sei beispielsweise die Mehrwegquote seit gut 30 Jahren von 70 auf 40 Prozent gesunken. So verkauften die großen Discounter, sagt Schmidt, keine einzige Mehrwegflasche.
Genereller Appell des Experten für Kreislaufwirtschaft: „Bürger sollten lernen, mehr zu genießen und weniger zu konsumieren.“ Die Frage sei doch, wer könne sich das leisten?“, wurde aus der Reihe der Besucher kritisch angemerkt. Das betreffe auch Fairtrade-Produkte oder regionale Lebensmittel. Wohlstand für alle, wie es Schmidt suggeriere, herrsche nicht in diesem Land. Auch würden Produkte wie neuartige Handys oder Rauchmelder so konzipiert, dass sie nur einmal zu verwenden sind. Auch viele Haushaltsgeräte ließen sich kaum noch reparieren. Dem widersprach ein Diskutant, der sich als Mitarbeiter eines Haushaltsgeräteherstellers outete. „Jede Maschine ist reparierbar“, bekräftigte er, ohne jedoch auf die Reparaturkosten im Verhältnis zu einer Neuanschaffung einzugehen.
Schmidt bezeichnete abschließend noch die Mülltrennung, die Lieblingsaktivität für das gute Gewissen, als „reines Beruhigungsmittel“. Den Leuten werde das als „Schmankerl“ angeboten, sah das ein Besucher genauso: „Toll, wenn ihr Plastik sortiert.“ Auch wenn die Kunststoff-Recyclingquote im einstelligen Prozentbereich liegt.