Mitten in Germering:Strafe für schmutzige Lieder

Mitten in Germering: Zeugnis richterlicher Kinderquälerei: Das schriftliche Urteil des Landgerichts Starnberg von 1840.

Zeugnis richterlicher Kinderquälerei: Das schriftliche Urteil des Landgerichts Starnberg von 1840.

(Foto: Stadtarchiv Germering)

Brutalität als Erziehung: Das Stadtarchiv Germering veröffentlicht ein Urteil aus dem Jahr 1840.

Von Andreas Ostermeier

Scheitelknien und Schläge mit dem Tatzenstecken: Ältere Semester können sich noch aus eigenem Erleben oder vom Hörensagen an die üblen Bestrafungsmethoden erinnern, die früher in der Schule verabreicht wurden. Wer schwätzte oder seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte, der bekam zur Strafe den Rohrstock zu spüren oder musste einige Zeit auf einem Holzscheit knien. Heute gelten solche brutalen Strafen zu Recht als Quälerei und Körperverletzung, in früheren Zeiten, in denen Kinder durch Gewalt zum Wohlverhalten gedrillt wurden, waren solche Strafen für viele eine probate Erziehungsmethode. Solche Erziehung wird heute als "schwarze Pädagogik" bezeichnet.

Schwarze Pädagogik wurde im 19. Jahrhundert allerdings nicht nur in Schulen praktiziert, sondern auch von Gerichten angeordnet. Deutlich macht dies ein Urteil aus dem Jahr 1840, das sich im Stadtarchiv Germering befindet. Nutzer der Homepage der Stadt können das Urteil dort finden. Mitarbeiterin Barbara Seeberger hat die damalige Amtsschrift lesbar gemacht und das Urteil des königlichen Landgerichts Starnberg kommentiert. Veröffentlicht wird es als "Fundstück des Monats". Weitere Fundstücke sollen folgen.

Schläge auf den nackten Rücken

Zwei Mädchen und fünf Buben - alle im Alter unter 15 Jahren - wurden im Dezember 1840 dazu verurteilt, in drei sonntäglichen Gottesdiensten in der Kirche knien zu müssen - außerhalb der Bankreihen und damit für alle sichtbar. Obendrein gab es für die fünf Buben auch noch Schläge auf den nackten Rücken oder die Hände. Das "Vergehen" der Kinder: Sie hatten auf dem Nachhauseweg von der Feiertagsschule schmutzige Lieder gesungen. Der Gerichtsdiener bekam das mit und rügte sie. Daraufhin sollen die Buben und Mädchen den Mann verspottet haben.

Das Gericht wertete die Taten der Kinder als "ein sehr beklagenswertes Ereignis jugendlicher Verirrung" und als Folge der "Verderbtheit der Sitten". Einen Teil der Schuld sprach es auch Eltern und Dienstherren zu, weshalb diese die Verfahrenskosten tragen mussten. Zudem drohte das Gericht der Schule. "Die Lokalschulinspektion wird nicht aufhören, dieser Schule ein stilles Augenmerk zu widmen und zu verhindern suchen, dass (...) die Schule Germering der Pfuhl jugendlicher Sünden und Laster werde", heißt es in dem Urteil.

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Das Stadtarchiv Germering beherbergt vor allem archäologische Funde, die von der jahrtausendelangen Besiedlung des Gebiets künden. Schriftliche Dokumente gibt es dagegen nur wenige.

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