Germering:Sexueller Angriff im Supermarkt

Amtsrichter verurteilt 64-Jährigen zu einer Bewährungsstrafe für die Belästigung einer Frau

Es muss nicht Silvester sein. Und es bedarf auch keiner Meute nordafrikanischer Männer, wie vor fast zwei Jahren auf der Kölner Domplatte, um sich gegenüber einer Frau zu verhalten wie ein brünftiger Damhirsch. Sexuelle Übergriffe auf Frauen können überall vorkommen. Auch in einem Einkaufszentrum in Germering während des Feierabendtrubels, wie in diesem Juli eine Frau erfahren musste. Ein 64 Jahre alter Mann, der der Frau von vorne entgegenkam, wollte ihr in den Schritt fassen. Bloß, weil sich der Mann schon davor auffällig verhalten hatte, wich die Frau geistesgegenwärtig aus, die Hand des Mannes landete an ihrem Oberschenkel. Ein Richter am Amtsgericht in Fürstenfeldbruck verurteilte den Germeringer am Montag wegen eines versuchten sexuellen Übergriffs zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

"Ich bin ein sehr sensibler Mensch", beginnt der Angeklagte. Mit dem weißen Rollkragenpullover unter dem dunklen Jackett wirkt er elegant. Der ehemals Selbständige berichtet von seinem geringen Selbstwertgefühl, das ihn zum Alkohol gebracht habe, von den beiden erwachsenen Söhnen, der guten Kundschaft und den gehobenen Kreisen, aus denen er stamme. "Ich habe eines niemals gemacht, eine Frau sexuell belästigen zu wollen", beteuert der 64-Jährige. Und verneint, die Geschädigte jemals zuvor gesehen zu haben.

Ob er nicht gemerkt habe, dass er fotografiert worden sei, fragte der Vorsitzende Richter Johann Steigmayer. Der Angeklagte schüttelt den Kopf. "Da ist Bewegung drin in Richtung Kamera, das müssten Sie bemerkt haben", hakt der Richter nach. "Ich kann mich nicht erinnern", erklärt der 64-Jährige. Ob er auch nicht mehr wisse, dass er sich zu einer Frau an den Tisch gesetzt habe, fragt der Richter. Wieder Kopfschütteln. Und dass er sich als "Baron von" vorgestellt habe? Der Richter nennt hinter dem Adelstitel den Nachnamen des Angeklagten. Wieder spricht der Angeklagte von Erinnerungslücken. Um dann ganz leise zu sagen: "Ja gut, ich gehe auf ein Adelsgeschlecht zurück." Die Dame werde sich die Geschichte nicht ausgedacht haben, also müsse sie stimmen, legt der zerknirschte 64-Jährige letztlich eine Art Geständnis ab - was die Szene mit dem Adelstitel betrifft, nicht den versuchten Griff in den Schritt. Neben Alkohol macht der Mann zudem psychische Probleme geltend.

"Es war ein komisches Verhalten weil immer, wenn ich mich weggedreht habe, ist er mir hinterher", beschreibt die Geschädigte die Situation, als sie dem Angeklagten entgegenkam. Drei Mal sei sie ihm so schon in einiger Entfernung ausgewichen. Als er dann auf ihrer Höhe war, habe er, sich bückend, von unten zugegriffen. Weil die 48-Jährige schon vorgewarnt war, drehte sie sich zur Seite. Wie die Zeugin berichtet, ging sie etwa eine Stunde nach dem Vorfall erneut mit einer Kollegin in das Einkaufszentrum. Sie fanden den Angeklagten in einem Cafe sitzend. Die Zeugin setzte sich an einen Tisch, der 64-Jährige kam dazu, belästigte sie erneut. Davon hat die Geschädigte ein Video gedreht. Als sie es im Gerichtssaal auf ihrem Smartphone abspielt, scheint der Angeklagte peinlich berührt. Während er in Tränen ausbricht, einigen sich Richter und Staatsanwalt darauf, dem 64-Jährigen wegen seiner psychischen Probleme und der Alkoholsucht für die Tatzeit eingeschränkte Schuldfähigkeit zuzugestehen.

"Ich denke, der Alkohol ist möglicherweise ein Kern des Problems", resümiert der Staatsanwalt und beantragt eine zehnmonatige Bewährungsstrafe mit der Auflage, eine Alkoholtherapie zu machen. Der Angeklagte versucht in seinem Schlusswort, sich bei der Geschädigten zu entschuldigen, bricht aber in Tränen aus. Der Richter verhängt zur Bewährungsstrafe 500 Euro, die der Angeklagte der Geschädigten zahlen muss sowie 200 Stunden gemeinnützige Arbeit. Vor der Gesetzesänderung 2016 wäre der Angeklagte milder bestraft worden, betont er noch.

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