Süddeutsche Zeitung

Germering:Schockierend

Uwe Kosubek liest Texte von Holocaust-Überlebenden

Von Florian J. Haamann, Germering

Es war der 9. November 1938 als der Judenhass der Nationalsozialisten mit der Reichspogromnacht einen zwischenzeitlichen Höhepunkt erreichte. Die Nacht, in der überall in Deutschland Synagogen brannten, jüdische Mitmenschen misshandelt und ermordet, ihre Geschäfte zerstört wurden. An die antisemitischen Verbrechen, die die Deutschen in den kommenden Jahren an Juden aus ganz Europa verübten und an deren Ende sechs Millionen Tote stehen sollten, erinnert der Germeringer Schauspieler Uwe Kosubek mit einer Lesung am Jahrestag der Pogromnacht.

Bereits im vergangenen Jahr hatte er gemeinsam mit der Stadtbibliothek zu einer Lesung am 9. November geladen, bei der er die Geschichte einer von den Nazis verfolgten jüdischen Familie vorgestellt hatte. In diesem Jahr liest er aus Büchern, die Holocaust-Überlebende verfasst haben. Mit dabei sind bekannte Autoren wie Elie Wiesel und Ralph Giordano, aber auch eher unbekannte Opfer der NS-Diktatur. "Jeder einzelne dieser Zeitzeugenberichte ist es wert, komplett gelesen zu werden. Zu erfahren, wie die Menschen gelebt haben, ist in jedem der Fälle individuell furchtbar", sagt Kosubek. Ihm gehe es darum, einen Abriss über die gesamten zwölf Jahre NS-Herrschaft zu geben. Jeder der Texte wird durch ein Zitat hoher NS-Funktionäre oder aus deren Schriften eingeleitet.

Anfangen wird Kosubek mit dem Text einer Berlinerin, die schon früh mit ihrer Familie untertaucht und ihren Alltag schildert - bis zu dem Tag, an dem eine ihrer Lehrerinnen einfach "verschwindet". Zwei Texte stammen aus der Zeit des "Anschlusses" Österreichs, einer beschreibt die Gräuel einer Deportation, zwei Autoren berichten von ihren Erlebnissen in Auschwitz, einer von seiner Flucht aus einem der Todesmärsche. "Wenn man diese Texte liest oder hört, wird einem immer wieder klar, wie wichtig es ist, unsere Demokratie zu verteidigen - und zwar mit allen Mitteln, die wir haben. Es kann ja niemand wollen, dass solche Zeiten wiederkommen", sagt Kosbubek.

Man müsse nicht jeden Einzelfall kennen lernen, um über die Geschehnisse schockiert zu sein, aber egal welche Geschichte man höre, sehe oder lese, schockiere aufs Neue. "Man weiß ja wie furchtbar die Taten der Nazis waren, hat es immer im Hinterkopf. Aber jedes Mal, wenn man wieder damit konfrontiert wird, ist man genauso schockiert wie beim ersten Mal. Deswegen finde ich, dass es unsere Pflicht ist, uns das bei Gelegenheit immer wieder neu vor Augen zu führen", so Kosubek.

Musikalisch begleitet wird er bei der Lesung von der jungen Musikern Silvia Brenner an der Gitarre. Sie hat Stücke ausgewählt, die die Stimmung der Texte transportieren sollen, unter anderem von Friedrich Hollaender.

"Überlebt" Lesung mit Texten von Opfern des NS-Regimes. Samstag, 9. November, in der Stadtbibliothek Germering. Beginn um 19 Uhr, Eintritt frei

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Quelle:
SZ vom 07.11.2019
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