Süddeutsche Zeitung

Germering:Schlagzeug-Solo statt Saxofon-Duo

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Das Eröffnungskonzert der Germeringer Jazz-Reihe muss wegen einer neuen Corona-Vorgabe kurzfristig umgeplant werden. Florian Arbenz liefert dennoch einen packenden Abend, mit Einflüssen aus der Schweiz bis nach Indonesien

Von Jörg Konrad, Germering

Quotenregelung im Jazz? Gibt es nicht! Aber mittlerweile reichlich weibliche Protagonisten, die in die einstige Männerdomäne vorstoßen und deutlich machen, mit welcher Leidenschaft, Intuition und spieltechnischer Finesse Frauen die zeitgenössische Improvisationsmusik bereichern und beflügeln. Am Freitag betrug der Anteil an Frauen auf der Bühne des Orlandosaales der Germeringer Stadthalle fünfzig Prozent - so hätte der Bericht vom ersten Indoor-Konzert in der Germeringer Stadthalle nach der langen Pandemie-Pause vom Freitag beginnen können.

Doch Fehlanzeige. Denn just als Tineke Postma im Flieger von Amsterdam nach München saß, um am Abend mit Florian Arbenz im Duo zu spielen, gab es eine neue Richtlinie: Alle Einreisenden aus den Niederlanden nach Deutschland müssen 1. bei ihrer Ankunft auf Covid 19 getestet werden und 2. solange in Quarantäne, bis das Ergebnis des Tests vorliegt. Somit stand der Schweizer Schlagzeuger Florian Arbenz um 19.30 Uhr allein auf weiter Bühne des Orlandosaales der Stadthalle, während eine der besten europäischen Saxofonistinnen nur zweihundert Meter Luftlinie entfernt im Zimmer ihres Hotels festsaß. Corona machts möglich! Eine dieser unglaublichen Anekdoten.

Also gab es in der Reihe Jazz It und als Eröffnung der Spielzeit 2020/21 in Germering ein ungeplantes Schlagzeug-Solo-Konzert. Arbenz war dabei nicht zum ersten Mal Gast der Reihe. Zwar liegt sein Auftritt mit dem Trio Vein schon eine Weile zurück (Dezember 2009), doch vielleicht erinnert sich ja noch der eine oder andere an den Basler.

Arbenz steht dabei in langer Tradition seines eidgenössischen Heimatlandes und vor allem seiner Geburtsstadt Basel. Denn hier finden sich seit hunderten von Jahren in den frühen Morgenstunden der Fasnacht Tausende Menschen jeden Alters und Geschlechts zusammen, um in Trommelgruppen durch die Straßen der Stadt zu ziehen und einer eigenen "Trommeldialektik" zu frönen.

Florian Arbenz ist bei seinem Germeringer Vortrag natürlich weit entfernt, von militärischen Signalen und achttaktigen Märschen, dem Ursprung der Fasnacht-Rituale. Bei ihm geht es mittlerweile auch anders, indem er die perkussiven Kulturen dieser Welt studierte, sie heute in einen großen kreativen Topf gibt, dieses Konglomerat ordentlich durchmengt, um am Ende seine eigene rhythmische Sprache zu kreieren. Da finden sich dann Gamelan Splitter aus Indonesien, kleine Melodien der Kalimba als eine Verneigung vor dem afrikanischen Kontinent, die Schule der europäischen Moderne findet Raum und natürlich auch das Swingende und das Groovende des Jazz, Arbenz eigentliche Domäne.

Die Trommel und all ihre perkussiven Verwandten nutzt er als eine tönende (Welt-)Sprache, als ein persönliches Kommunikationsmittel, das weit über das Moment des "Lärmens", der Signalübermittlung hinausgeht. Variantenreich schlägt und klopft, reibt und streichelt er sein umfangreiches Drum-Set, zu dem auch einige "neu erfundene Schlaginstrumente eines Freundes" gehören, wie Arbenz zwischen den einzelnen Nummern erzählt.

Bei ihm entwickeln sich die Stücke logisch. Er gliedert den Puls, öffnet ihn, seziert ihn, um Rhythmen zu verdichten. Dann wieder bringt er Luft in diese improvisierten Kompositionen, lässt sie atmen und kommt damit dem menschlichen Herzschlag auf ganz besondere Weise näher.

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Quelle:
SZ vom 21.09.2020
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