Wald und Feld:Im Wald wird's voll und laut

Wald und Feld: Zu viele Menschen! Rehen gefällt das nicht. Vor allem aber bringt sie das Verhalten der Menschen in Wald und Flur in Gefahr.

Zu viele Menschen! Rehen gefällt das nicht. Vor allem aber bringt sie das Verhalten der Menschen in Wald und Flur in Gefahr.

(Foto: Marco Einfeldt)

Viele Menschen verbringen ihre Freizeit an der frischen Luft. Für Wildtiere und Pflanzen hat das Nachteile. Jäger, Landwirte und Waldbesitzer appellieren an Spaziergänger, Hundebesitzer und Radler, Rücksicht auf die Natur zu nehmen.

Von Andreas Ostermeier, Germering

Die Ruhe ist dahin. Jedenfalls sagen dies Jäger und Waldbesitzer so. Was einst von den Romantikern und heutzutage von Awareness-Anhängern als Ort der Stille besungen wurde und wird, der Wald, er verliert sukzessive an Ruhe. Ursache dafür sind die Ruhesuchenden. Georg Huber, Landwirt und Jäger aus Puchheim und zudem Bauernobmann im Landkreis Fürstenfeldbruck, erzählt von seinem Erlebnis, dass mitten in der Nacht Leute im Wald auftauchen, unterwegs beim Geocaching, einer mit Hilfe von GPS gesteuerten Schnitzeljagd, und im Unterholz versteckte Dinge suchen. Mit einer solchen Aktion werden Wildtiere extrem gestört und verschreckt.

Zugenommen hat die wohnortnahe Nutzung von Wäldern und Wiesen in der Corona-Zeit. Die Leute durften nirgendwohin fahren, also bewegten sie sich in der unmittelbaren Umgebung. Zudem stieg auch die Nachfrage nach Haustieren. "Definitiv mehr Leute" bewegen sich im Wald als früher, sagt Huber. Diesen Eindruck hat auch Paul Högenauer, Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung Fürstenfeldbruck. Es seien viel mehr Leute unterwegs als in früheren Jahren, sagt er. Vor allem ist dies rund um Städte und größere Gemeinden zu bemerken. Aber auch im noch dörflich geprägten Westen des Landkreises Fürstenfeldbruck hat die Freizeitnutzung von Wald und Feld zugenommen.

Mehr gerissene Rehe

Für das Bedürfnis nach Bewegung an der frischen Luft haben beide auch Verständnis. Doch sie wünschen sich mehr Rücksichtnahme auf die Natur - gerade weil so viele Menschen beim Wandern, Radfahren oder Spazierengehen Erholung suchen.

Wald und Feld: Mittendurch: Mountainbiker sind im Wald unterwegs.

Mittendurch: Mountainbiker sind im Wald unterwegs.

(Foto: Ralf Schanze/imago)

Vor allem für die Wildtiere hat die Freizeitnutzung von Wald und Feld schlimme Folgen. So nehmen die Berichte von gerissenen Rehen zu. Den Tieren werden frei laufende Hunde zum Verhängnis, die ihnen - vom Jagdtrieb gepackt- hinterherhetzen. Die Germeringer CSU nennt Zahlen. Hat es im Jahr 2020 in der Revieren rund um Germering und Unterpfaffenhofen acht von Hunden getötete Rehe gegeben, so betrug diese Zahl im vergangenen Jahr bereits etwa 20. Und Erhebungen für die ersten vier Monate des laufenden Jahres bestätigten den Trend zu mehr gerissenen Wildtieren, heißt es von Seiten der CSU. Die Stadtratsfraktion beruft sich dabei auf Zahlen von Waldbesitzern und Revierjägern.

Nicht immer sterben die angefallenen Rehe gleich durch die Attacke von Hunden. Jäger und Polizisten müssen die Tiere dann von ihrem Leid erlösen - wahrlich keine schöne Aufgabe. Im vergangenen Jahr machte der Tod eines Rehs Schlagzeilen, das mit zwei Kitzen trächtig war. Jäger Michael Pöllmann erzählt, wie er ein Kitz erschießen musste, das zuvor vom Hund einer Frau angefallen worden war. Die Frau war gehbehindert, ihren Hund ließ sie deshalb frei laufen.

Wild auf dem Rückzug

Doch es geht nicht nur um die gerissenen Tiere. Scheucht ein Hund auf einer Wiese einen Bodenbrüter auf, reicht dies aus, damit das Tier nicht zurückkehrt und seine Brut im Stich lässt. Das Wild zieht sich immer weiter in den Wald zurück, wenn am Rand das freizeitliche Remmidemmi zu groß wird - und wenn nicht einmal mehr nachts Ruhe zwischen den Bäumen ist. Der Rückzug in den Wald fördert dort auch den Verbiss, also das Abbeißen von Knospen, Blättern oder Zweigen.

Wald und Feld: Corona schränkte den Bewegungsradius der Menschen ein. Viele Wanderer suchten deshalb Erholung in der Nähe.

Corona schränkte den Bewegungsradius der Menschen ein. Viele Wanderer suchten deshalb Erholung in der Nähe.

(Foto: Florian Peljak)

Betroffen sind auch die Landwirte. Huber weiß von Trampelpfaden, die mitten durch die Felder führen. Leute mit Hunden, so hat er beobachtet, laufen quer durch ein Getreidefeld. "Da ist das Bewusstsein nicht mehr da, dass dort Lebensmittel wachsen", sagt er. Überhaupt hat seiner Beobachtung nach das Querfeldeinlaufen zugenommen. "Wo einer durchläuft, tun das andere auch." Trotz seiner Erfahrungen betont der Bauernobmann, dass die meisten Leute sich an die Regeln hielten, beispielsweise was das Einsammeln der Exkremente ihrer Tiere angeht. Doch eine Minderheit halte sich nicht daran. Spreche er solche Leute an, ernte er oft Unverständnis oder bekomme die Ausrede zu hören, das habe man nicht gewusst.

Hinweisschilder sollen helfen

Zumindest diese Ausrede sollen Hundebesitzer, Querfeldeinradler und andere in der Umgebung von Germering bald nicht mehr vorbringen können. Die Stadt will Hinweistafeln aufstellen, die über Flora und Fauna sowie das richtige Verhalten in Wald und Feld aufklären und die Menschen um Rücksichtnahme auf Wildtiere, seltene Pflanzen und landwirtschaftlichen Anbau ersuchen. Beispielsweise soll ein Schild in grünen und roten Farben die Monate markieren, in denen Wildtiere trächtig sind und besonderen Schutz brauchen. Mit Verboten solle die Stadt nicht arbeiten, sagt Oliver Simon, Fraktionssprecher der CSU, die den Antrag auf Schilder gestellt hat. Ohnehin käme die Kommune mit Verboten auch nicht weit, denn beispielsweise einen Leinenzwang gibt es in Bayern nur für Naturschutzgebiete, sonst nicht.

Es bleibt also der Appell an die Vernunft. Huber ist skeptisch. Er sei immer ein Verfechter von Information und Aufklärung gewesen, sagt der Landwirt. Inzwischen sei er aber "ein Stück weit ernüchtert". An diejenigen, die ihre Freizeit in der Natur verbringen, hat er deswegen nur eine Bitte: "Mir reicht es schon, wenn alle auf den Wegen bleiben."

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