Germering:Plädoyer für Bus, Bahn und Fahrrad

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Knotenpunkt in Germering: Am Bahnhof treffen die meisten Buslinien aufeinander. (Foto: Stefan Salger)

In der Stadt soll der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden. Zudem soll es mehr Umsteigemöglichkeiten geben

Von Peter Bierl, Germering

Die großen Visionen fehlten an diesem Abend. Weder von einer Seilbahn, einer Trambahn, geschweige denn einer U-Bahn-Station war die Rede. Ein Zuhörer bekam auf sein Frage nach dem Projekt einer Stadt-Umland-Bahn, die vor bald zwanzig Jahren von Kommunalpolitikern beerdigt wurde, zu hören, dass schon in Planegg dafür der Platz auf den Straßen gefehlt habe. Was Roland Schmid, Leiter der Stadtwerke Germering, und Martin Imkeller, Mitarbeiter der Stabsstelle ÖPNV im Landratsamt Fürstenfeldbruck, unter dem Titel "Perspektiven des öffentlichen Nahverkehrs" vortrugen, bezog sich auf die nächste achtjährige Vertragsphase mit den Busunternehmen sowie die geplanten Mobilitätsstationen. Ein Dutzend Zuhörer war zu dieser Veranstaltung der Germeringer Volkshochschule am Donnerstag in der Stadtbibliothek gekommen. Einige klagten über "Geisterbusse", fehlende Gesamtkonzepte und Verkehrszählungen und kritisierten die Lage in Germering als desolat. "In den vergangenen Jahren hat es einen Quantensprung gegeben, das ist eine positive Leistung", widersprach ein anderer Bürger.

Sein Einwand zeugt von Realismus, wenn man bedenkt, wie zäh es ist, die Idee einer Verkehrswende in einer auf die Interessen der Autoindustrie ausgerichteten Gesellschaft zu verankern. Auch der historische Rückblick, mit dem Schmid begann, zeugt vom langsamen Bohren dicker Bretter. 1903 wurde die Bahnlinie gebaut, später gab es einen privaten Busunternehmer, der Arbeiter aus Germering zu BMW nach Allach karrte. 1998 wurde das Anrufsammeltaxi eingeführt, das, wie Schmidt bemerkte, nur "so lala" lief, weil Germeringer Taxler wenig begeistert waren. Zwei Jahre später wurde eine Ringbuslinie geschaffen und die Stadtwerke, bis dahin ein Wasserversorger, übernahmen die neue Sparte.

Welche Hindernisse sich auftun, demonstrierte Schmidt am Beispiel der Bushaltestation. Er zeigte ein Foto von einer "Paradehaltestelle" mit Wartehäuschen, perfektem Randstein und breiten weißen Streifen auf dem Pflaster, der den Zustieg für Sehbehinderte markiert. Nicht einmal die Haltestelle am Bahnhof sehe so aus, wandte ein Zuhörer ein. Richtig, weil dort wie so oft schlicht der Platz fehle, antwortete der Stadtwerke-Chef. Er räumte ein, dass "bei weitem nicht alle" der mehr als 80 Bushaltestellen in Germering so perfekt aussehen. Auch sei das Budget knapp bemessen. Insgesamt gebe die Stadt jährlich 1,7 Millionen Euro für den Busverkehr aus und erziele Einnahmen von etwa 900 000 Euro mit steigender Tendenz.

Was die nahe Zukunft betrifft, so berichtete Schmidt, dass mit der neuen Ausschreibungsphase 2021 eine Reihe neuer Linien eingerichtet werden sollen, etwa zum Germeringer See und zum Gewerbegebiet im Norden. Harthaus-Süd, bislang ein "weißer Fleck", solle über die Hartstraße erschlossen werden, dazu soll es eine Busverbindung zwischen Harthaus und Freiham geben. Außerdem wird eine Verbindung nach Puchheim gewünscht, die als Zubringer für den Expressbus X 80 fungieren würde, der zur U-Bahnstation in Moosach fährt. Das Pilotprojekt Car-Sharing, an dem Strom Germering beteiligt ist, wurde um zwei Jahre, bis 2022, verlängert, berichtete Schmidt.

Imkeller warb für das Konzept der Mobilitätsstationen, von denen die Stadt insgesamt sechs bis 2022 einrichten will, etwa an den Bahnhöfen, am Rathaus und an der Eislaufhalle. Der Grundgedanke ist, dass Reisende an einer solchen Station ein möglichst vielfältiges Angebot unterschiedlichster Verkehrsmittel vorfinden sollen. Idealerweise liegen solche Stationen an Bahnhöfen und Bushaltestellen, dazu sollen dort Ruftaxi, Car-Sharing und Leihräder und E-Bikes angeboten werden, dazu Stellflächen für private Fahrräder, Wlan, Schließfächer, eine Elektroladesäule sowie eine Stele mit elektronischen Informationen über den Verkehr. Allerdings wird es solche voll ausgebauten Mobilitätsstationen nicht überall geben, oft müssen sich die Reisenden mit abgespeckten Versionen begnügen.

Zu den Vorteilen gehört, dass die Reisenden an den Stationen mehrere Optionen haben, um sich fortzubewegen, dass die Nutzung wesentlich günstiger ist als ein eigenes Auto zu finanzieren und weniger Stellflächen gebraucht würden, wenn Zeitgenossen auf ein solches verzichten. Untersuchungen in Bremen und Würzburg zeigten, dass im Umkreis von Mobilitätsstationen tatsächlich die Pkw-Dichte und der Ausstoß von Kohlendioxid sinken, berichtete Imkeller. Als weiteren Vorzug führte er an, dass Reisende nicht mehr zum Ausgangspunkt zurückkehren müssen, um Auto oder Fahrrad wieder abzuliefern. Damit bewegte sich Imkeller allerdings auf etwas dünnem Eis. Auf Nachfrage räumte er ein, dass die Autos zumindest außerhalb von großen Städten nicht im "free flow" genutzt, sondern doch zurückgebracht werden müssen zu der Station, an der sie geholt wurden.

© SZ vom 10.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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