Germering/Olching:Freudiges Wiedersehen

Nun dürfen auch die Erstklässler wieder in die Schule gehen. Die Buben und Mädchen der Graßlfinger 1d haben vor allem ihre Lehrerin vermisst. Die Abiturienten sehen den Prüfungen, die am Mittwoch beginnen, mit gemischten Gefühlen entgegen

Von Ingrid Hügenell, Germering/Olching

Auf dem sonnigen Platz vor dem Carl-Spitzweg-Gymnasium in Germering verteilen sich kleine Gruppen von Fünftklässlern. Sie sitzen im vorgeschriebenen Abstand auf den Bänken und dem Boden und essen ihr mitgebrachtes Pausenbrot. Die erste Hälfte der fünften und sechsten Klassen durfte am Montag erstmals wieder in de Schule kommen, am 25. Mai ist die zweite Hälfte dran. In kleinen Gruppen kommen auch die Abiturienten heran, sie haben Deutschunterricht, und sie sind zeitig dran, nicht wie sonst üblich auf den letzten Drücker. Am Mittwoch beginnt das Abitur mit der ersten schriftlichen Prüfung, die alle ablegen muss, der im Fach Deutsch. Die Mädchen geben zu, dass sie aufgeregt sind, die Jungs wollen sich nichts anmerken lassen. Seit 27. April, also seit drei Wochen, haben sie wieder Unterricht in der Schule.

Für die Deutsch-Prüfung fühlen sich Theresa Stürzer, 19, und Bettine Kuffer, 18, gut vorbereitet. Bei der Mathematik, die am 26. Mai schriftlich geprüft wird, sehe es anders aus, sagen sie. "Der Unterricht hat nicht ganz so gut funktioniert." Denn vor dem Corona-Ausbruch seien sie mit dem Stoff noch nicht fertig gewesen. Zu Hause sollten sie weiterlernen, in der Schule sollte alles wiederholt werden. Doch der Kurs war geteilt, der Lehrer musste immer wieder zwischen den Klassenzimmer wechseln. "Vielleicht wäre es zu Hause produktiver gewesen", sagt Stürzer. Das bestätigt Paula, 17, die sich nicht gut vorbereitet fühlt und in Mathe ohnehin Schwächen hat. Die Mädchen berichten wie die meisten Schüler, die Qualität des Homeschoolings hänge sehr vom Lehrer ab. "Manche kommen mit den Plattformen nicht so zurecht." Sie hoffen nun, dass heuer beim Abitur nicht ganz so streng korrigiert wird.

Germering/Olching: Unterricht mit ihrer Lehrerin Hana Stronk finden die Buben und Mädchen der 1d in Graßlfing besser als Schule daheim.

Unterricht mit ihrer Lehrerin Hana Stronk finden die Buben und Mädchen der 1d in Graßlfing besser als Schule daheim.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Wichtig für den Lernerfolg zuHause ist auch, dass die Schüler selbständig arbeiten können. Bei Theresa Stürzer hat das je nach Motivation mehr oder weniger gut funktioniert. Miyuki Maria aus der Q 11 sagt, sie brauche klare Ansagen. Die 16-Jährige ist deshalb froh, "wieder ein paar Lehrer zu sehen". Andreas Stöhr, der Latein und katholische Religion unterrichtet, freut sich seinerseits über die Schüler. "Euer Leiden hat ein Ende", ist seine Standardbegrüßung. Viele hätten den Unterricht vermisst, berichtet er, und entsprechende E-Mails geschrieben. "Jeden Abend Brettspiele mit den Eltern, das ist dann irgendwann auch nicht mehr soooo...", sagt Stöhr. Jetzt, wo wieder mehr Schüler in der Schule sind, werde das Home-Schooling erst richtig zur Herausforderung, "denn jetzt müssen wir zweigleisig fahren". Die Gruppen wechseln wöchentlich, jede Klasse ist geteilt. Doch auch von diesem Rhythmus gibt es Ausnahmen: Bei allen schriftlichen Abiturprüfungen müssen die übrigen Schüler des CSG zu Hause bleiben. Direktorin Rita Bovenz erklärt, sie habe sonst nicht genug Lehrkräfte. Denn die Prüfungen schreiben die 140 Abiturienten in kleinen Gruppen in Klassenzimmern, viele Lehrer brauche sie als Aufsichten.

Musiklehrer Ludwig Hartmann kämpft nicht nur damit, dass das Bild stehen bleibt, wenn er per Video Unterricht in Oboe und Saxofon erteilt. Zusätzlich würden die hohen Frequenzen nicht gut übertragen, das sei vor allem bei den Blasinstrumenten ein Problem. Da das CSG auch einen musischen Zweig hat, haben relativ viele Schüler Musik als ein Abiturfach gewählt. Per Videoschaltung fehle auch die Persönlichkeit, sagt der Musiklehrer, der in seiner "letzten Saison" ist und nach diesem Schuljahr in Pension geht. Das "grande Finale" habe er sich anders vorgestellt. "Es ist keine schöne Zeit. Etwas beklemmend. Aber da müssen wir durch."

Germering/Olching: Am Carl-Spitzweg-Gymnasium in Germering grüßt ein großes Plakat die Schüler.

Am Carl-Spitzweg-Gymnasium in Germering grüßt ein großes Plakat die Schüler.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Doch die Freude überwiegt am CSG. Über dem Haupteingang prangt ein großes Plakat, auf dem in Großbuchstaben steht: "Wir freuen uns auf euch!", es wiederholt sich an den Eingängen. Jede Gruppe hat nicht nur einen Eingang zugeteilt bekommen, sondern auch ein Areal für die Pause: vor dem Eingang, im Pausenhof oder in der kleinen Aula.

Morgens um 7.15 Uhr steht Direktorin Rita Bovenz am Eingang, der erste Schüler kommt schon um 7.20 Uhr. Bovenz ist zufrieden. Sie hat die Eltern gebeten, die Kinder nicht alle zur gleichen Zeit zu schicken. Alles wurde akribisch vorbereitet. An den Eingangstüren hängen Raumpläne und Aufforderungen, verantwortungsbewusst zu handeln, gedruckt auf gelbem Papier, "weil Gelb motivierend wirkt", erklärt Bovenz. Nach und nach kommen Fünft- und Sechstklässler und Schüler der Q 11. "Bissl mehr Abstand halten, die Ladys", ruft Bovenz immer wieder. Sie lobt, wenn die Mund-Nasen-Masken richtig sitzen und muss nur einmal einen Buben daran erinnern, dass sie nicht helfen, wenn sie unterm Kinn hängen. "Die Mädchen sehen die Masken auch als modischen Accessoire. Die Buben sind eher genervt davon", hat Bovenz festgestellt. In den Klassenzimmern, wo jeder einen markierten Platz hat, dürfen alle die Masken abnehmen.

Draußen tragen auch die Abiturienten sie. Haben sie Angst vor der Ansteckung mit Sars-CoV-2? "Nicht, während wir zusammen sind", erklärt Severin Stechbart, 17. "Aber im Nachhinein, dass man seine Lieben zu Hause anstecken könnte." Die Abiturienten müssen mit weiteren Unsicherheiten leben. Können sie ein Freiwilliges Jahr antreten? Ins Ausland gehen, reisen? Theresa Stürzer möchte fürs Grundschullehramt studieren. Wie das funktionieren wird, weiß sie noch nicht. Bettine Kuffer muss sich für ein Harfen-Studium an der Musikhochschule mit einem Online-Video bewerben, und wie es dann weitergehe, müsse man sehen, sagt sie.

Germering/Olching: Wer welches Treppenhaus benutzen darf, ist genau ausgeklügelt. Ein gelber Zettel mahnt zu verantwortungsvollem Handeln

Wer welches Treppenhaus benutzen darf, ist genau ausgeklügelt. Ein gelber Zettel mahnt zu verantwortungsvollem Handeln

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Abiturienten müssen damit zurecht kommen, dass ihr letztes Schuljahr durch die Pandemie ganz anders ist als gedacht. Die Erstklässler erleben die seltsame Corona-Zeit ganz zu Anfang ihrer Schullaufbahn. Cathrin Theis, die Leiterin der Grundschule Graßlfing, und ihr Team haben ganz besonders darauf geachtet, ihren ersten Schultag am Montag, nach neun Wochen ohne Schule, besonders ruhig zu gestalten. Sie wollen den Kindern viel Lob und Motivation geben und ihnen vor allem viel Zeit lassen.

Die Buben und Mädchen der 1d haben sich auf die Schule gefreut, und ganz besonders auf das Wiedersehen mit ihrer Lehrerin Hanna Stronk. Diese Freude steht bei Leon, Stella und den anderen an erster Stelle. Yannick fügt auf Nachfrage noch die Mitschüler als Grund zur Freude an, und Stella hat sich auch darauf gefreut, "dass alles genauer erklärt wird".

Denn es gab zwar täglich eine freiwillige Videokonferenz für die ganze Klasse, bei der die meisten der 26 Kinder auch immer mit dabei waren, wie Stronk erklärt. Aber es gab eben auch technische Probleme. Bei Leonardo etwa ist immer wieder "das Internet abgebrochen" oder der Bildschirm ging aus. Matteo fand es lustig, "eingefrorene" Mitschüler auf dem Bildschirm zu sehen. Für die Lehrerin machten diese Schwierigkeiten das digitale Unterrichten aber komplizierter. Geübt wurde ganz viel Kopfrechnen, darin seien die Kinder jetzt richtig gut, versichert Stronk. In der kommenden Woche wird die 1d wieder zu Hause lernen, dafür darf die 1b wieder in die Schule. Davon sind die Kinder nicht begeistert. "Ausschlafen ist toll, aber hier sein ist besser", sagt Stella.

Vielleicht liegt das auch an den Eltern. "Mein Sohn sagt, ich bin viel strenger als die Lehrerin", berichtet Marcel Gemmeke und lacht. Benjamin besucht ebenfalls die 1d und hat sich vielleicht deshalb auf Hanna Stronk gefreut. Der Vater steht mit dem Kinderroller vor dem Eingang, um den Sohn abzuholen. Er habe seine Arbeit so organisieren können, dass er sich Montag und Dienstag um Benjamin kümmern kann, seine Frau übernehme die anderen Tage, sagt der Olchinger CSU-Stadtrat. Das Home-Schooling habe gut funktioniert, vielleicht auch, weil Benjamin ein Einzelkind sei. Die Schule habe alles "top organisiert", sagt Gemmeke weiter, es habe viele Infos gegeben, das habe allen Sicherheit gegeben. Den Schülern Sicherheit zu geben in einer unsicheren Zeit, ist ein Ziel, das nicht nur Cathrin Theis und die gesamte Schulleitung der Grundschule Graßlfing verfolgen. Auch Rita Bovenz ist das sehr wichtig. Und deshalb spricht sie mit ihrer sechsten Klasse am Montag zu Beginn des wieder aufgenommenen Unterrichts zunächst darüber, wie es den Kindern geht und was es nun zu beachten gilt.

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