Süddeutsche Zeitung

Germering:Nur was für die Harten

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Das Freibad ist am nasskalten Mittwoch nahezu verwaist

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Es gibt kaum ein tristeres Bild als ein leeres Freibad. Das große Sprungbecken des Germeringer Freibads mit dem Zehnmeterturm ist am Mittwochvormittag um elf Uhr verwaist. Im großen Wellenbecken ist niemand, auch nicht im Nichtschwimmerbecken mit Rutsche. Der sonst dicht umlagerte Kiosk hat gar nicht erst aufgemacht. Nur im großen Schwimmerbassin tummeln sich vier Unentwegte. Dem Quartett machen beinahe schon frostige zwölf Grad Außentemperatur nichts aus, auch nicht der Nieselregen, der gerade einsetzt. Ein weiterer Schwimmer läuft schlotternd zum Becken. Schnell rein, denn das Wasser ist mir 24 Grad angenehm warm. "Ich würde heute nicht schwimmen", gesteht Bademeisterin Linda Gardow unumwunden ein.

Zwei ältere Frauen schwimmen und unterhalten sich dabei angeregt. Eine Sportschwimmerin zieht raulend ihre Bahnen; sie scheint ihr Trainingsprogramm durchzuziehen. "Heute ist nur der harte Kern da", sagt Gardow, die an diesem Tag mit langer Hose und Jacke ihren Dienst verrichtet. "Das sind Dauerkartenbesitzer, die man regelmäßig sieht." Einer, der sich von äußeren Bedingungen nicht abhalten lässt, ist Hermann Stolz. "Ich komme fast jeden Tag her. Drinnen im Wasser ist es auch heute prima". Brustschwimmend zieht er gemächlich seine Bahnen. "45 Minuten schwimme ich. Das ist gut für die Gelenke", sagt der 61-Jährige, der erst kürzlich am Fuß operiert worden ist. Regelmäßig macht Stolz das: vier- bis fünfmal die Woche, seit etwa 15 Jahren. "Heute musste ich mich schon überwinden", gesteht hingegen Robert Schömer ein, der von Puchheim ins Germeringer Freibad gekommen ist und am Beckenrand seine Schwimmbrille aufsetzt. Schömer hatte sich erst kürzlich bei einem Motorradunfall an Schulter und Schlüsselbein verletzt. Der 47-Jährige Puchheimer ist früher viel geschwommen. Für ihn ist das jetzt eine wirkungsvolle Therapie gegen das Zwicken in der Schulter.

29 Badegäste hat die Mitarbeiterin an der Kasse bis elf Uhr gezählt. Über den extrem wechselhaften Sommer schüttelt auch Edeltraud Felser im Büro des Freibads den Kopf. Am Vortag hatte es auch schon durchgängig geregnet. "An solchen Tagen haben wir etwa hundert Besucher", sagt Felser. Hundert Besucher von neun bis 20 Uhr. Am letzten richtig heißen Tag vor einer Woche kamen 3500 Leute ins Freibad. Die meisten Badegäste kamen am 10. Juli. "Das waren 5751 Besucher plus Kinder unter sechs Jahren, die keinen Eintritt zahlen", erläutert Felser.

An Regentagen wird der Betrieb im Freibad mit einem Minimum an Personal aufrechterhalten. An heißen Tagen muss dagegen die Wasserwacht aushelfen. Inzwischen hat Hermann Stolz sein Pensum beim Brustschwimmen absolviert und geht Richtung Umkleidekabine. Robert Schömer krault auf einer der abgeteilten Bahnen für Sportschwimmer. "Es gibt immer Ausreden", hatte er noch gesagt und sich darüber gefreut, dass er heute den "inneren Schweinhund" dann doch noch überwunden hat.

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Quelle:
SZ vom 11.08.2016
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