Süddeutsche Zeitung

Germering:Nachts in der Bücherei

Germerings Stadtbibliothek stößt mit neuem Angebot auf gute Resonanz: Das erste "Late-Night-Learning" nehmen 30 Prüflinge wahr

Von Leonie Albrecht, Germering

Es wird langsam dunkel in der Stadt, doch die Germeringer Stadtbibliothek ist auch um 21 Uhr noch hell erleuchtet und voller Leben. Zu hören sind das Rascheln von Arbeitsunterlagen, leise Gesprächsfetzen, hier und da auch ein zurückhaltendes Lachen. "Late-Night-Learning" nennt sich diese Veranstaltung, ein besonderes Angebot für Lernende, zu dem die Öffnungszeit der Bibliothek von 19 auf 22 Uhr verlängert wurde. Vor kurzem hatte die Bibliothek erstmals dazu eingeladen.

Die Eingangstür ist verschlossen, jedem Besucher öffnet die Bibliothekarin Angelika Pielmeier einzeln die Tür. Denn dieser Abend richtet sich gezielt an Schüler und Schülerinnen, Auszubildende und Studierende, die sich auf ihre Prüfungen vorbereiten möchten. "Ich hätte mir damals während meiner Prüfungen auch so ein Angebot gewünscht", erklärt Benedikt Rasche, Auszubildender der Stadtbibliothek, der das Late-Night-Learning initiiert hat. Viele Münchner Bibliotheken bieten ähnliche Konzepte an, das habe ihn inspiriert. Täglich beobachtet Rasche zahlreiche Lernende in den Räumlichkeiten der Bibliothek. Seit vor vier Jahren das kostenfreie Wlan installiert wurde, steigen die Besucherzahlen, bestätigt auch Pielmeier. "Die meisten Lerner kommen schon kurz nach Mittag, in den Ferien sogar noch früher", sagt sie. Auch an diesem Abend ist die Bibliothek mit etwa 30 Personen gut besetzt. Zwischen und hinter den Bücherregalen stehen versteckte Tische. Einzelne Lernende versinken mit Ohrstöpseln in ihren Büchern, Lerngruppen tauschen sich leise aus. So auch eine Gruppe Jugendlicher, die sich gemeinsam auf ihre Mittlere Reife vorbereitet. Über Flyer in ihrer Schule, die von den Angestellten der Bibliothek selbst erstellt und verteilt wurden, sind sie auf das Angebot aufmerksam geworden. Es ist "cool", dass man in der Bücherei gemeinsam lernen kann, sind sich die Jugendlichen einig. Zuhause sei das nicht möglich. Auch abseits der Abschlussprüfungen nutzen sie das Gebäude, um zu lernen oder Präsentationen zu erstellen.

"Es ist halt schade, dass es nur einen Termin vor unseren Prüfungen gibt, sonst hätten wir das öfter machen können", sagt einer der Jungen, seine Freunde nicken zustimmend. An vier weiteren Donnerstagen ist das abendliche Lernen geplant, der nächste Termin ist der 23. Mai. "Wir haben uns an den Terminen für die Abschlussprüfungen orientiert", erklärt Rasche. "Außerdem haben wir gemeinsam überlegt, welcher Tag wohl passen könnte und haben auch die Besucher direkt gefragt." Die Bibliothekare möchten eine ruhige Lernumgebung bieten, gerade für Lernende, die zu Hause keinen Rückzugsort haben und abends erst die Zeit zum Lernen finden. "Ich mag die Ruhe und die gesamte Atmosphäre hier", sagt Armin, der sich in seiner Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann befindet. Gerade lernt er für eine Rechtsprüfung, schon seit sechs Stunden ist er an diesem Tag in der Bibliothek. "Ich kann mich hier besser konzentrieren, weil andere auch arbeiten." Von den verlängerten Öffnungszeiten an diesem Abend wusste er nichts, doch er ist sichtlich erfreut noch ein paar zusätzliche Stunden in der Bibliothek zu bekommen.

"Wir hatten davor keine Ahnung, wie es ankommen würde", sagt Pielmeier. Deshalb sind Rasche und sie sehr zufrieden mit den positiven Rückmeldungen der Besucher. 13 Jahre arbeitet Pielmeier schon in der Stadtbücherei und beobachtet, wie sich deren Rolle zunehmend verändert. "Es geht nicht mehr nur um die Bücherausleihe oder den Rückzug", erklärt sie. "Es ist ein Begegnungsort mit Kultur und vielen verschiedenen Informationen." Rasche betont, die Bibliothek sei das überdachte "Gegenstück zum Park", ein Ort zum Wohlfühlen. Deshalb ist es ihnen wichtig, ein Angebot zu bieten, das jeden mitnimmt. Ob das Late-Night-Learning in Zukunft weiter ausgebaut wird, muss sich allerdings noch zeigen. Personell könnte die Germeringer Stadtbibliothek da dann doch an ihre Grenzen kommen, aber die Zusammenarbeit mit freiwilligen Helfern ist in Zukunft denkbar.

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SZ vom 22.05.2019
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