Germering:Mieter und Sparer verlieren

Walter Müller von der VR-Bank spricht über die Niedrigzinspolitik

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Kaum nennenswerte 0,02 Prozent Zinsen bietet die VR-Bank Fürstenfeldbruck momentan für eine Tagesgeldanlage - Folge der gegenwärtigen Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Seniorenunion Germering wollte deshalb von Walter Müller, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank, wissen, ob die Sparer durch diese Politik enteignet werden. Müller bestätigte vor 40 Besuchern, dass das auf den Durchschnittsdeutschen zutreffe, vor allem auf die Menschen, die in einer Mietwohnung leben, ein Festgeldkonto besitzen und aus einer Pensionskasse eine Rente erwarten. "Vermögende Menschen können bei Streuung ihres Vermögens mit Nullzinsen leben", sagte Müller und fügte hinzu: "Die Kluft zwischen Arm und Reich wird zunehmen."

Ausgangspunkt für die Niedrigzinspolitik ist laut Müller die Finanzkrise gewesen, als "Staaten Banken gerettet haben". Er erinnerte an den Satz von EZB-Präsident Mario Draghi, der im Sommer 2012 angekündigt hatte, den Euro zu retten, egal, was dies koste. Seitdem sind die Zinsen auf Talfahrt, weil die Zentralbank die Finanzmärkte mit Geld flute. Besonders in Südeuropa werde Draghi dafür als Held gefeiert. Müller sicher: "Frankreich und Italien wären bei höheren Zinsen sonst bald pleite." Da spiele das Klagen der deutschen Sparer keine Rolle. "Finanzielle Repression" nannte der Chef der VR-Bank diese EZB-Intervention. Müller rechnet noch viele Jahre mit sehr niedrigen Zinsen. Warum setzen sich deutsche Politiker nicht massiv für die deutschen Sparer ein? Die Antwort gab Müller gleich selbst: "Größter Profiteur ist der Staat auf allen Ebenen." Der Redner rechnete vor, dass der deutsche Staat bei einer Gesamtverschuldung von 2,2 Billionen Euro, wenn er demnächst statt vier nur noch ein Prozent Zinsen zahlen müsse, 66 Milliarden Euro jährlich spare.

"Banken wollen kein Geld mehr, weil sie nicht mehr wissen, was sie damit anfangen sollen", sagte Müller. Er zeigte für die VR-Bank auf, dass an der Anlage ihrer 300 Millionen Euro an Kundengeldern kaum jemand interessiert sei. Eine Credit Suisse-Anleihe für vier Jahre habe kürzlich nur 0,24 Prozent Zinsen im Jahr gebracht; bei einer EU-Anleihe für acht Jahre wäre sogar ein Strafzins von 0,07 Prozent gefordert worden. Auch mit billigen Immobilienkrediten könnte die VR-Bank kaum Geld verdienen, zumal da auch immer ein Zinsänderungsrisiko drohe. Diese Lage werde bei den "Großbanken zu Zweigstellenschließungen und Entlassungen von Mitarbeitern führen", prognostizierte Müller.

Was sollen die Deutschen nun mit ihrem Geld machen? Müller bestätigte, dass die Nachfrage nach Bankschließfächern zunehme. "Ich weiß nicht, was da alles drin ist", meinte er, aber wohl auch Bargeld. Der Chef der VR-Bank erklärte seine Sympathie für die Abschaffung des Bargeldes und erinnerte daran, "dass Deutschland die Nummer eins bei der Geldwäsche ist." Er bezeichnete die Debatte zum jetzigen Zeitpunkt aber als "dämlich". Ein Anlageplus markierte Müller nur beim Kauf von Aktienfonds und einer Eigentumswohnung. Da wären wir wieder bei den vermögenden Menschen. "Die Gewinner sind eindeutig die Immobilienbesitzer", resümierte der Vorstandsvorsitzende. Seit 2010 seien die Immobilienpreise in und um München um 30 bis 60 Prozent gestiegen.

Eine Alternative zur Strategie der Nullzinsen, wie sie die Zentralbank verfolgt, konnte Müller jedoch nicht nennen. Der Chef der VR-Bank sprach von einem "Experiment mit ungewissen Ausgang". Aber es bestehe die Chance, dass die Staaten ihre enorme Verschuldung zurückführen könnten.

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