Germering:Landler-Salsa in Lederhosen

Cubaboarisch 2.0 zelebrieren in der Germeringer Stadthalle die Erweckung der Livemusik aus dem Dornröschenschlaf

Von Stefan Salger, Germering

"Cubaboarisch 2.0 - Leo Meixner Tour 2020/2021" steht auf der Eintrittskarte der Stadthalle. Wie so was halt auf Eintrittskarten steht. Ganz normal. Ganz normal aber ist am Donnerstagabend gar nichts. Auch nicht für die siebenköpfige Combo da oben auf der Bühne. Denn es ist ihr erstes richtiges Konzert seit März. Seitdem pausiert die Tour, mal abgesehen von ein paar Gigs in einem Club oder in einem Biergarten oder im Brunnenhof der Münchner Residenz. Ach ja, wir reden hier vom März 2020!

Kein Wunder also, dass alles wirkt wie ein großer Befreiungsschlag. Und so ist das auch fürs Publikum. Gut hundert Gäste sind gekommen. Trotz der Bestuhlung mit großen Abständen hätten auch unter Coronabedingungen mehr als doppelt so viele in den Orlandosaal gepasst. Aber die Bedingungen sind ja nicht eben leicht. Jeder muss dem Sicherheitsmann am Eingang das Schnelltestergebnis vorlegen und 90 Minuten die FFP2-Maske tragen.

Da soll Stimmung aufkommen? Ja richtig, da kommt Stimmung auf! Wäre man nicht dabei gewesen, würde man es vielleicht nicht glauben. Auch fürs Publikum ist es so, als wäre es tief untergetaucht und würde nun mit Atemnot nach oben streben, es schlussendlich mit dem letzten Quäntchen Sauerstoff in der Lunge an die Wasseroberfläche schaffen. Ganz, ganz tief Luft holen, bis die den Körper flutet. Befreiend. Endlich wieder etwas, das an den Normalzustand der Vor-Corona-Zeit erinnert. Ein Konzert! Live! "Wunderbar!", sagt später eine Frau zu ihrem Begleiter, als beide durch die Glastür in den lauen Abend hinaustreten.

Germering: Heute hauen wir auf die Pauke: Leo Meixner (Zweiter von links) und seine Mitstreiter auf der Bühne der Stadthalle.

Heute hauen wir auf die Pauke: Leo Meixner (Zweiter von links) und seine Mitstreiter auf der Bühne der Stadthalle.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Vielleicht ist es ja auch etwas der Euphorie bei einer solchen Premiere geschuldet, beim ersten Konzert nicht nur in der Stadthalle seit einer gefühlten Ewigkeit, dass alle den Auftritt als grandios empfunden haben dürften. Aber nein, sie sind es ja wirklich, die Cubaboarischen 2.0 - grandios. Und so taut das von Videokonferenzen und Fernsehkonserven in Endlosschleife desillusionierte Publikum auf, trampelt und klatscht, wie es auch mehr als tausend Zuschauer nicht besser könnten. Die Leute reißen die Arme in die Höhe und singen mit, Mundschutz hin oder her.

Man meint das Gewicht des Steins zu erahnen, der Medea Schmitt, der Chefin der Stadthalle, vom Herzen fällt, als sie um Punkt 19.30 Uhr ins Scheinwerferlicht tritt und sich nach einem halben Jahr Lockdown "überglücklich" darüber zeigt, dass es endlich wieder losgehen kann mit der Kultur. "Kommen Sie wieder!", ruft sie dem Publikum zu. Als Dank wird sie jedem einzelnen Gast später ein kleines Stückchen Schokolade mit auf dem Heimweg geben - merci! Auch im Namen der Künstler richtet sie den Dank aus. Bandleader Leo Meixner wird später im Kreise einiger Besucher erzählen von der Durststrecke. Von limitierten Proben - vorigen Monat schafften sie es mit Ach und Krach dreimal. Schließlich leben sie verstreut über Bayern und Österreich. Aber "das Feeling auf der Bühne" sei nach einer kurzen Eingewöhnungszeit fantastisch gewesen - ob vor tausend oder vor hundert Zuschauern - ganz egal". Gleichwohl war der Auftritt "total anstrengend", denn 90 Minuten singen und spielen mit ganzen Körpereinsatz ist hart, wenn man aus der Übung ist. "Das ist wie ein Fußballer, der immer nur mittrainiert hat und dann plötzlich 90 Minuten auf dem Platz steht", sagt Meixner. Aber das alles ist es wert, wenn man auf der Bühne stehen darf und einem das Publikum Rückenwind gibt.

Germering: Gut hundert Besucher haben sich testen lassen sowie angemeldet und tragen in dem mit viel Abstand bestuhlten Orlandosaal durchgehend Mundschutz.

Gut hundert Besucher haben sich testen lassen sowie angemeldet und tragen in dem mit viel Abstand bestuhlten Orlandosaal durchgehend Mundschutz.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Die 90 Minuten vor dieser glänzenden Bilanz sind ebenfalls glänzend. Sie sind ein Parforceritt auf Messers Schneide, irgendwo zwischen Landler und Salsa, zwischen den Oberkrainern und Los Van Van, der genialen Bigband aus Kuba. Immer hin und her, mal bayerisch, mal karibisch, mal beides gemixt wie ein Tequila Sunrise oder ein Piña Colada. Kuba-Fan Meixner hat die Quetsch'n ebenso im Griff wie Gitarre oder Posaune, singt dazu und schlägt den Rhythmus auf allem, was ihm in die Quere kommt. Glänzende Akzente setzen an seiner Seite Marinus Wagner an der Trompete und die Sängerin Yinet Rojas Cardona, die aus Guantanamo im Osten der Zuckerinsel stammt, aber seit vier Jahren in Österreich lebt.

"Mia san so, so glücklich!", ruft Meixner. Es beginnt mit einem kubanisch eingefärbten Defiliermarsch, mit einem Juchzer und einem Song des 2003 gestorbenen Compay Segundo, bekannt vom Buena Vista Social Club: Chan Chan - "de Alto Cedro voy para Marcané" - ein Klassiker. Es folgt der Boarische Hiasl - in Lederhosen. Es folgen aber auch gefühlvolle Duette zur akustischen Gitarre, die Sentimentalität aufsteigen lassen könnten. Aber nein, nach vorne schauen! Es gilt, die Erweckung der Livemusik aus dem Dornröschenschlaf zu feiern - Chachacha!

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