Germering:Küsse im Kasperluniversum

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"Doctor Döblingers geschmackvolles Kasperltheater" ist im März mit einer Doppelvorstellung in Germering zu sehen. (Foto: Leonhard Simon)

Mit ausverkauften Vorstellungen von Josef Parzifall und Anton Frank alias Doctor Döblinger startet die Stadthalle in ihr Herbstprogramm

Von Sonja Pawlowa, Germering

Der ersehnte Start ins Herbstprogramm der Stadthalle Germering kann gar nicht früh genug beginnen. Die ungeduldigen kleinen Gäste warten bereits eine halbe Stunde vor Einlass auf die ersehnte Vorstellung von Doctor Döblingers geschmackvollem Kasperltheater. Der Andrang ist größer als die Anzahl der coronabedingt reduzierten Plätze, weshalb "Kasperl und der Räuber" in zwei aufeinanderfolgenden Vorstellungen gespielt wird. Dennoch gibt es keine Restkarten für spontane Kasperlfans mehr.

Die vierjährige Fiona aus Pasing ist so einer. Sie kennt das Kasperlpuppen-Ensemble vom Seppl bis zum Krokodil von einer begeisternden Vorstellung im Münchner Westpark. Deshalb haben ihre Eltern die Anfahrt von Pasing nicht gescheut und die Eintrittskarten längst im Vorverkauf erworben. Es fühlt sich ein bisschen wie "Warten aufs Christkind" an, als Kinder, Eltern und Großeltern den Amadeussaal stürmen. Endlich Theater, elektrisch die Luft. Wem die Vorstellung nicht genügt, der kann sich Hörspiel-CDs mit nach Hause nehmen. Die "ausgehungerten" Käufer geben sogar ein dickes Trinkgeld. "Die CDs haben mir so manche Autofahrt gerettet," sagt ein Vater. Zwei siebenjährige Mädchen haben Mühe mit der Wahl, denn sie haben so gut wie alle Hörspiele zu Hause. Bald wird sie die Neuerscheinung "Kasperl und der Kornkreis" aus ihrer Not erlösen. Die Jazzgröße Wolfgang Lackerschmid verleiht der CD einen zusätzlichen musikalischen Mehrwert.

Bei "Kasperl und der Räuber" ist der Heidelbeerdieb Blasius Wilderich ein sympathisches Würstchen, für dessen Ergreifung als Belohnung zwei Bratwürstchen winken, die der Polizist Wirsching gern selbst essen würde. Die Hexe Strudelhofer verzaubert ihn in Schnittlauch, wogegen als Gegenzauber ein Kuss wirkt. Doch der Kasperl erfährt von den Kindern im Publikum davon. "Elendes Denunziantenpack," kommentiert die Hexe. Dass der Polizist nicht als Schnittlauch in der Suppe endet, verdankt er dem küssenden Zauberer und sein Leben einem Kaugummi im Maul des Krokodils. Keiner der Beteiligten ist ein Held. Schön auch, dass der Hund nichtsahnend in den Polizisten-Schnittlauch pieselt. Hier treffen sich Kinder- und Erwachsenenhumor.

Doctor Döblingers geschmackvolles Kasperltheater ist eine Instanz, die seit den Neunzigerjahren mehreren Generationen Momente zarter Anarchie erlaubt. Ein Kasperltheater folgt nämlich eigenen Regeln, die der Wachtmeister Wirsching erklärt. Die Nicht-Nasebohren-Regel während der Vorstellung gibt den Geist längst vergangener Punk-Tage wieder: "Jetzt, vor der Vorstellung, müssen alle in der Nase bohren! Auch die Erwachsenen." Das freut die Kinder. Und auch, dass sie die Eltern mit einem lauten "Psst!" zur Ruhe mahnen dürfen. Ein bisschen Gegenteiltag, das gefällt Jung und Alt. Aus der verminderten Zahl an Zuschauern ergibt sich ohnehin ein geringer Geräuschpegel. Das ist nicht nur positiv. Oft muss der Kasperl mehr Lautstärke einfordern. Sie sollen so laut schreien, dass sie die Erwachsenen aufwecken. "Die Kinder haben sich nicht verändert," sagt Josef Parzifall, der Erfinder von Doctor Döblinger und seiner kunstvollen mobilen Bühne. Er teilt sich mit Anton Frank die neun Sprechrollen. Außerdem wurden ältere Stücke permanent überarbeitet und den aktuellen Lebensverhältnissen angepasst. Erstaunlich, dass selbst die Germeringer Kinder offenbar das stellenweise charmant-derbe Bairisch verstehen, das der Niederbayer Parzifall auch in den Liedtexten kultiviert.

Neben der Familienshow Feuerwehrmann Sam Ende Oktober will die Stadthalle Germering bald eine Weihnachtsproduktion für Kinder anbieten, die noch in Planung ist. "Im Frühjahr wird es hoffentlich neben der Kinder-Vorstellung von Doctor Döblinger wieder die beliebten Kasperl-Stücke für Erwachsene geben," sagt Veronika Schöring von der Stadthalle.

© SZ vom 22.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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