Aktion:Germering will kippenfrei werden

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In die Berge oder ans Meer? Ein Kippster wurde an der Bushaltestelle vor dem Schulgelände an der Alfons-Baumann-Straße angebracht. (Foto: Leonhard Simon)

Kampagne der Stadt soll die Einwohner zum Thema Zigarettenstummel und Umwelt sensibilisieren und so langfristig die Zahl der achtlos weggeworfenen Kippen verringern.

Von Ingrid Hügenell, Germering

"In den Bergen werfe ich die Kippen nie auf den Boden", sagt der junge Mann. "In der Stadt schon." Warum? "Germering ist nicht so schön wie die Berge." Der 19-Jährige, der die Fachoberschule Germering besucht, will aber künftig auch in der Stadt seine Kippen richtig entsorgen.

Schließlich hat er eben einen Taschenaschenbecher geschenkt bekommen, und er findet die "Kippster" cool, innovative Aschenbecher mit zwei Einwurföffnungen. Je nachdem, wo man seine Kippe einwirft, kann man Fragen beantworten, in Germering momentan: "Urlaub - wohin geht's? Berge oder Meer?" Das Motto: "Nach dem Glimmen abstimmen."

Die Taschenaschenbecher aus Blech haben Mitarbeiter der Stadt Germering, von Umweltamt, Bauhof und Stadtmarketing, am Dienstag verteilt, zum einen am Schulzentrum, zum anderen am S-Bahnhof, als Auftakt der dreiwöchigen Aktion "kippenfreies Germering". Sie wird auch von der Umweltreferentin Angelika Kropp-Dürr unterstützt und mit Plakaten und Bannern beworben.

Stadträtin Angelika Kropp-Dürr (von links), Referentin für Umweltangelegenheiten, Claudia Müller vom Bauamt, Jasmin Seeholzer vom Stadtmarketing, Matthias Stang, Leiter des Sachgebiets Umweltangelegenheiten und Oberbürgermeister Andreas Haas stellen die Kampagne vor dem Rathaus vor. (Foto: Leonhard Simon)

Um das Ziel zu erreichen, dass langfristig weniger Zigarettenreste einfach weggeworfen werden, wurden auch die Kippster aufgehängt, vor allem an Bushaltestellen und anderen "Hotspots", an denen besonders viele Zigarettenkippen weggeworfen werden.

Die haben die Germeringer "Omas for Future" und der städtische Bauhof gemeinsam definiert. "Hotspots sind überall, wo Leute warten", erklärt Matthias Stang, Leiter des Sachgebiets Umweltangelegenheiten - Bushaltestellen, Grünanlagen, Parks, Spielplätze.

Stang erläutert, warum die Zigarettenreste mehr sind als ein ästhetisches Problem: "Eine Kippe verseucht bis zu 60 Liter Grundwasser." In Zigaretten seien mehr als 7000 giftige Chemikalien enthalten, 50 davon krebserregend. Durch Niederschläge gelangen die Giftstoffe aus den Stummeln in den Boden und schließlich in Gewässer. Über die Nahrungskette können sie so zurück zum Menschen kommen.

"In Parks oder an Spielplätzen können auf dem Boden liegende Zigarettenkippen auch für Kinder eine Gefahr sein", sagt Stang. Nikotin sei die zweithäufigste Ursache für Vergiftungen im Kleinkindalter - nach Medikamenten, die Kinder versehentlich aufnehmen. "Schon in einer einzigen Zigarette ist eine für ein Kleinkind tödliche Nikotindosis enthalten."

Matthias Stang (links) und Andreas Haas zeigen die Taschenaschenbecher. (Foto: Leonhard Simon)

Und das Problem ist kein kleines. In Deutschland werden der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge 106 Milliarden Zigarettenkippen weggeworfen - pro Jahr. Zwei Drittel landen demnach direkt in der Umwelt. Dort tragen die praktisch unkaputtbaren Kunststofffilter zum Mikroplastik-Problem bei.

Auch Tiere sind gefährdet, wenn sie die Stummel für Nahrung halten und fressen. Sie werden entweder direkt vergiftet, oder der Kunststoff verstopft den Magen und die Tiere verhungern. Offenbar nutzen immer wieder Vögel Kippen beim Nestbau. Der Kontakt mit den toxischen Stoffen schädigt vor allem die Küken. Eine weitere Gefahr: Vor allem im Hochsommer können noch glühende Zigarettenreste schnell Waldbrände auslösen.

Die Schülerinnen und Schüler an der Bushaltestelle in der Alfons-Baumann-Straße haben schon in der Schule über all diese Themen gesprochen und sind entsprechend aufgeschlossen für Taschenaschenbecher und Kippster-Säulen. Gefühlt rauche in seinem Freundeskreis jeder, sagt ein FOS-Schüler aus der 12. Klasse. "Mit 16 fängt es an. Das ist einfach lässig!", sagt er, und seine Freunde nicken, während sie an ihren Zigaretten ziehen.

Ein junger Mann vor dem Gelände der Fachoberschule Germering beim Rauchen. Welchen Schaden Zigarettenkippen in der Umwelt anrichten, war Thema im Unterricht. (Foto: Leonhard Simon)

Künftig wollen sie ihre Stummel nicht mehr so oft achtlos auf den Boden werfen, sondern gerne in einen Kippster. Die jungen Leute haben auch gleich Vorschläge: Man solle philosophische Frage stellen, und auf jeden Fall die Fragen öfter wechseln. Letzteres sei sowieso geplant, erklärt Jasmin Seeholzer vom Stadtmarketing, das die Aktion ebenfalls unterstützt.

Die Kippster bleiben dauerhaft in der Stadt. Überdies werden die Ergebnisse der Kippen-Abstimmungen über die sozialen Medien veröffentlicht. Das soll ein weiterer Anreiz sein, seine Stummel so zu entsorgen. Zumindest bei den jungen Leuten könnte das funktionieren - sie werfen am Dienstag nacheinander ihre Kippen in den neuartigen Aschenbecher.

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