Germering:Hassliebe CSU

Kabarettist Jürgen Kirner gibt als Redner beim Neujahrsempfang einen Wahlaufruf für die Christsozialen ab - obwohl er die Partei auch immer wieder kritisch sieht

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Der Neujahrsempfang der Germeringer CSU stand wenig überraschend eindeutig im Zeichen der kommenden Kommunalwahl am 15. März. Das druckfrische CSU-Programm mit den Konterfeis der Listenkandidatinnen und -kandidaten lag samt Plastik-Kugelschreibern gleich zuhauf neben den gereichten Häppchen. Sicherlich geht es für die Partei um ihre absolute Mehrheit im Stadtrat und um die Wiederwahl des CSU-Oberbürgermeisters Andreas Haas. Der OB prangte beim Neujahrsempfang mit etwa 150 Besuchern im Roßstall-Theater groß hinten an der Wand. Der 70-Prozent-Haas, der seine dritten sechs Jahre anpeilt, lächelt auf dem zwei mal einem Meter großen Plakat vor einem Wald. Die Werbestrategen der Partei haben dazu in Großbuchstaben getextet: GERMEHRING, wobei das MEHR gefettet und Andreas Haas zugeschrieben wurde. Spötter würden raunen: "Personenkult lässt grüßen."

Doch Festredner Jürgen Kirner, der nach dem "Türkenmarsch", virtuos gespielt vom Organisten Fabian Kriner auf dem Glockenspiel, auf die Bühne trat, ging darauf nicht ein. Im Gegenteil: Am Ende seines kurzen Vortrags forderte der Kabarettist und Autor der Couplet AG die Anwesenden auf, am 15. März die CSU zu wählen. "Es braucht in Germering eine starke CSU - das ist mein Herzenswunsch", appellierte Kirner eindeutig. Dafür gab es natürlich Beifall der anwesenden Parteigänger.

Germering: Die 150 Gäste der CSU im Roßstall-Theater hören zu und schweigen.

Die 150 Gäste der CSU im Roßstall-Theater hören zu und schweigen.

(Foto: Günther Reger)

Dieser Wahlaufruf überrascht einerseits nicht, weil der gebürtige Oberpfälzer seit 35 Jahren in der CSU ist. Das lag schon in der Familie, weil seine Mutter eine Erz-CSU-lerin ist. Andererseits sieht Kirner die Regierungspartei immer wieder kritisch. Dies beschränkte er an diesem Sonntagmittag jedoch auf den Ministerpräsidenten Markus Söder. "Unter den Blinden ist der Einäugige König", sagte Kirner über Söder. Dafür gab es keinen Beifall der Besucher.

Grundsätzlich bekräftigte Kirner, dass es in der Gesellschaft mehr um das Gemeinwohl als um das "Meinwohl" gehen müsse. Für die Afrika-Kinder habe man immer gespendet, doch jetzt kämen sie trotzdem. "Darin sehen viele ihr Wohl gefährdet, und die Sehnsucht nach einer strengen Hand wächst", meinte Kirner. Diese Sehnsucht würde auch dazu führen, dass Leute wieder bekennen: "Ich bin ein Nazi." Kirner ordnete das unter Werteverlust ein und unter Geld und Machtgier des Kapitals. "Dabei verkommt die Politik zum Marionettentheater", kritisierte der Redner heftig und positionierte sich eindeutig: "Gelebter Humanismus ist mehr wert als jede Religion." Auch hier Schweigen im Saal, ehe Kirners Wahlaufruf das CSU-Publikum wieder versöhnte.

Germering: "Die Politik verkommt zum Marionettentheater", sagt Jürgen Kirner, Kabarettist und Autor der Couplet AG,in Germering.

"Die Politik verkommt zum Marionettentheater", sagt Jürgen Kirner, Kabarettist und Autor der Couplet AG,in Germering.

(Foto: Günther Reger)

Apropos Kommunalwahl. Der Trend geht rückwärts. Dominierten die Germeringer CSU-Frauen bisher in der CSU-Stadtratsfraktion mit elf zu zehn, sind sie auf der Wahlliste für 2020 mit 14 zu 26 wieder eindeutig in der Minderheit. Stadtrat Oliver Simon, der CSU-Ortsvorsitzende, erwähnte das nicht, dafür baute er in sein Grußwort einen "Werbeblock", wie er sagte, für die CSU-Dauerbrenner Thomas Karmasin und Andreas Haas ein. "Sie sind Landrat und OB mit Leib und Seele." Karmasin musste krankheitsbedingt absagen, dafür nahm Haas diesen Ball Simons gerne auf. Er sei weiterhin gerne bereit, alle Argumente im Stadtrat zu erfassen, um seinen Standpunkt zu hinterfragen. "Wir haben im Stadtrat keine Entscheidungen getroffen, die sich an den Interessen von nur wenigen orientiert haben", versicherte Haas im Rückblick auf seine bald zwölfjährige Amtszeit. Sein Credo: "Ich werde aktiv mit Innovation umgehen, aber Entwicklung muss mit Augenmaß passieren."

Festredner Kirner hat "Herzdamen" in der CSU. "Ich schätze Ilse Aigner", gestand er im Gespräch mit der SZ, "und auch Manfred Weber". Die Grundsätze der Partei ordnete er als "eine der besten aller Parteien" ein. Seine Motivation als Parteimitglied: "Ich bin in der CSU, weil ich sie liberalisieren will." Da habe er mehr Hoffnung bei der Germeringer CSU als bei der Partei in München, wo er wohnt. Dort verstehe es die CSU nicht, eine Großstadtpartei zu sein und "agiert im Wahlkampf rückwärtsgewandt", so Kirner. Sein Wahlverhalten sei nicht nur auf die CSU fixiert, sagte er der SZ: "Die wähle ich nicht bei jeder Wahl."

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