Germering:Durchgeknallt

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Am Pfingstmontag 2019 schlägt ein Hagelunwetter eine Schneise der Verwüstung. Bis heute wird repariert

Von Andreas Ostermeier, Germering

Die tennisballgroßen Hagelkörner benötigen nur einige Minuten, um Fenster zu zertrümmern, Fassaden zu durchlöchern und Dachziegel zu zerschlagen. Vor genau einem Jahr, am Abend des Pfingstmontags, zieht eine Hagelwalze über den Landkreis und hinterlässt eine Spur der Verwüstung. Vor allem die Stadt Germering wird vom Unwetter getroffen. Etwa 230 Einsätze verzeichnet die Germeringer Feuerwehr für diesen Abend und den nächsten Tag, um Dächer abzudichten und Häuser vor dem eindringenden Regenwasser zu schützen. In etlichen Straßen sind sämtliche Häuser und Fahrzeuge beschädigt, und die Reparaturarbeiten dauern bis in diese Tage an. Das Unwetter ist das heftigste seit 1984 und richtet enorme Schäden an.

Christian Haugg von der Germeringer Feuerwehr wohnt im Gerätehaus, die Hagelkörner schlagen Dellen in sein Auto. Außerdem wird das Feuerwehrhaus vom Hagel schwer getroffen. Monatelang sind die Schäden an der Front zur Augsburger Straße hin zu sehen. Zudem kommt das Wasser durchs Dach, weil Eisbälle Ziegel zertrümmert haben, und läuft ins Büro, wo die Computer stehen. Doch um diese Schäden können sich die Feuerwehrleute ebenso wenig kümmern wie um ihre Autos, die auf dem Weg zum Einsatz Dellen bekommen. Die Helfer müssen raus, Einsatz reiht sich an Einsatz, nach Hauggs Erinnerung geht das kurz vor 18 Uhr los und dauert bis sechs Uhr am Dienstagmorgen. Dann wird die erste Schicht abgelöst. Auch die zweite kommt kaum zum Luftholen, so viele Dächer müssen mit Planen und Notdächern abgedichtet werden. Einige Häuser in Germering sehen so aus, als hätte sie Christo zur Übung verpackt. Unterstützt werden die Feuerwehrleute aus Germering und Unterpfaffenhofen von Einsatzkräften aus dem Landkreis sowie benachbarten Kreisen.

Notdach: Am Tag nach dem Hagel bedecken Feuerwehrleute etliche Häuser mitgroßen Planen, um ein weiteres Eindringen von Wasser zu verhindern. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Vom Unwetter getroffen wird auch die Stadtpfarrkirche Johannes Bosco. Eisbrocken zerstören die Scheiben des Langfensters über dem Westeingang der Kirche. Die farbigen Fenster hat der Eichenauer Künstler Josef Dering in den Fünfzigerjahren geschaffen. Zunächst fürchtet die Kirchenverwaltung, dass die Fenster verloren sind. Doch in München gibt es laut Rike Bacher, der Kirchenpflegerin von Johannes Bosco, die Mayer'sche Hofkunstanstalt. Die Firma hat 1939 den in Konkurs gegangenen Betrieb F.X. Zettler übernommen, der die Originalscheiben angefertigt hatte. Im Firmenarchiv der Mayer'schen Hofkunstanstalt finden sich Unterlagen zu den Glasfenstern, so dass sie originalgetreu rekonstruiert werden können. Im Oktober werden die Fenster erneuert. Abgeschlossen sind die Arbeiten damit aber noch nicht. Ein Dachfenster im Pfarrhaus müsse noch repariert werden, sagt Bacher über die Folgen des Hagelschlags.

Mit den Folgen hat bis heute auch die Germeringer Dachdeckerfirma Knodel zu tun. Elisabeth Walcher, die Frau des Inhabers, verrät, dass der Betrieb immer noch Hagelschäden bearbeitet. Bis Jahresende ist die Firma ausgebucht - und der große Auftragsbestand hat viel zu tun mit dem Pfingsthagel. "Im Fünfminutentakt kamen Telefonanrufe", erinnert sich Walcher. So geht es nicht nur den Firmen am Ort und in der nahen Umgebung. Aus dem ganzen Freistaat fahren Handwerker nach Germering, um Dächer neu einzudecken, Hausfassaden zu verkleiden und Fenster zu ersetzen.

Auch Versicherungen schlagen ihr Lager in der Stadt auf, wie die HUK, die im ehemaligen Autohaus Morigl an der Landsberger Straße vom Hagel beschädigte Fahrzeuge begutachtet. Nach Angaben von Yvonne Butz vom Schadensprozessmanagement der Versicherung werden etwa 5500 Autos mit Dellen, eingedrückten Panoramadächern, kaputten Außenspiegeln und eingeschlagenen Scheiben vorgefahren. Sie stammen nicht nur aus Germering, sondern auch aus anderen Gemeinden in der Umgebung. Schäden an der Karosserie werden an Ort und Stelle repariert. 40 Sachverständige sind im Einsatz, sie haben laut Butz sechs Wochen zu tun. Erst dann kann die Sammelbesichtigungsstelle geschlossen werden.

© SZ vom 10.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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