Germering:Haas für Gehörlose

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Mit Mimik und Gestik: Daniela Unruh neben Oberbürgermeister Andreas Haas in der Stadthalle. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Premiere in Germering: Gebärdensprachdolmetscherinnen übersetzen die Rede des Oberbürgermeisters

Von Andreas Ostermeier, Germering

Die Besucher der Bürgerversammlung in Germering sind am Mittwoch Zeugen einer Premiere geworden. Während Oberbürgermeister Andreas Haas seinen Bericht über das Jahr abgab, standen zwei Frauen abwechselnd neben ihm und übersetzten seine Worte mit Gebärden und Mimik für Gehörlose im Publikum. Die Stadt hatte die beiden Gebärdensprachdolmetscherinnen engagiert, um allen Germeringern zu ermöglichen, die Bürgerversammlung zu verfolgen. Die Idee dazu stammt nach Auskunft von Veit Gundermann, Leiter des Büros des Oberbürgermeisters, vom Sozialreferenten Herbert Sedlmeier. Er hat vorgeschlagen, zu städtischen Veranstaltungen Gebärdensprachdolmetscher hinzuzuziehen, um dem Ziel einer gleichberechtigten Teilnahme sämtlicher Einwohner näher zu kommen. Für die Bürgerversammlung wurde der Vorschlag nun erstmals umgesetzt.

So übersetzten Daniela Unruh und Claudia Schuler die Worte des Oberbürgermeisters. Die Plätze vor ihnen waren für Gehörlose reserviert. Alle zehn Minuten wechselten sie sich ab. Dauere eine Rede nicht länger als eine Stunde, reiche der Einsatz eines Dolmetschers, sagte Unruh. Werde aber, wie in Germering, länger gesprochen, seien zwei Dolmetscher nötig. Denn die Arbeit erfordert viel Anstrengung, muss ein Dolmetscher doch gleichzeitig der Rede zuhören, sie verstehen und die Worte übersetzen. Nach spätestens zwanzig Minuten lasse die Konzentration nach, sagt Unruh, dann könne es zu Verzögerungen und Fehlern kommen.

Zur Vorbereitung liest sie das Redemanuskript durch. Sie muss die Themen kennen, um sicherer und schneller übersetzen zu können. Denn Fachausdrücke erschweren das Dolmetschen. Unruh kennt das, denn sie übersetzt bei politischen Veranstaltungen, für Studenten, wenn Gehörlose zum Arzt gehen, oder bei Beerdigungen. Je nach Thema muss sie sich, ebenso wie alle anderen Gebärdensprachdolmetscher, überlegen, wie sie Fachausdrücke verständlich macht. Das Manuskript dient nur der Vorbereitung, beim Dolmetschen heißt es dann: Es gilt das gesprochene Wort.

Um sich auszudrücken, stehen einem Gebärdensprachdolmetscher Gesichtsmimik, Hände und Arme zur Verfügung. Mit diesen körperlichen Hilfsmitteln formt Unruh Buchstaben und Wörter. Zudem spricht sie manche Wörter, beispielsweise Eigennamen, allerdings lautlos und mit deutlichen Bewegungen der Lippen. Zuhörer, die von den Lippen lesen können, verstehen sie. Wie das funktioniert, war kürzlich auch in der ARD-Serie "Babylon Berlin" zu sehen, in der ein junger Polizist vorkommt, dessen Eltern gehörlos sind.

Unruh und Schuler arbeiten freiberuflich. Das sei in Bayern so üblich, sagt Daniela Unruh. In anderen Bundesländern gibt es auch angestellte Gebärdendolmetscher. Im Sinne der Inklusion, also der gleichberechtigten Teilnahme aller Menschen am sozialen Leben, gibt es für den Freistaat noch Arbeit zu tun. Erreichen kann man die Dolmetscherinnen über eine Vermittlungsstelle in München. Das will Germering für öffentliche Veranstaltungen künftig immer tun. Das nächste Mal haben Gebärdendolmetscher ihren Einsatz am Volkstrauertag beim Gottesdienst um 8.15 Uhr in der Kirche Sankt Jakob und dann bei der Kranzniederlegung im Anschluss an die Messe.

© SZ vom 16.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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