Germering:Geschützter Raum

Lesezeit: 3 min

Die neue Tagesstätte "Aufwind" in Germering bietet Menschen mit psychischen Erkrankungen eine Anlaufstelle. Das gibt Struktur, stabilisiert und kann so dazu beitragen, Klinikaufenthalte zu vermeiden

Von Ingrid Hügenell, Germering

Mit einem Satz hat Anna Schäfer-Lambertz auf den Punkt gebracht, warum Einrichtungen wie die Tagesstätte "Aufwind" notwendig sind. "Jeder hat das Recht auf ein gutes Leben in Gemeinschaft", sagte die Vertreterin des Bezirks Oberbayern bei der Eröffnung der Germeringer Tagesstätte für Menschen, die psychisch erkrankt sind oder eine seelische Behinderung haben. Denn natürlich gelte dieses Recht auch für sie.

In der Tagesstätte können sie unter Menschen sein, miteinander kochen, Sport machen, Gesellschaftsspiele spielen und sich austauschen. Menschen, die wegen ihrer Erkrankung keinen Beruf ausüben können, finden in den Räumen eines ehemaligen Sportgeschäfts an der Oberen Bahnhofsstraße einen geschützten Rahmen. "Aufwind" wird von der Caritas betrieben und hat seit Januar montags bis mittwochs von zehn bis 15 Uhr geöffnet. Kürzlich wurde die Tagesstätte offiziell eingeweiht.

Das Angebot soll die Besucher stabilisieren, ihren Gesundheitszustand verbessern und es dient der Teilhabe an der Gesellschaft - eben dem guten Leben. Psychisch kranke Menschen, die nicht arbeiten, schaffen es häufig nicht, ihren Alltag zu gestalten. Ihnen hilft die klare Struktur in der Tagesstätte. Zusätzlich können sie mit den Sozialpädagoginnen bei Bedarf Einzelgespräche führen. Knapp 30 Männer und Frauen zwischen 24 und 75 Jahren nehmen das Angebot wahr, wie Tanya Damm und Pia Schnell berichten. Sie leiden unter bipolaren Störungen, Depressionen, Angst-und Panikstörungen, einer Zwangserkrankung oder Psychose oder auch einer Essstörung. Nicht alle kommen jeden Tag den ganzen Tag, so dass von den zehn Plätzen rechnerisch nur achteinhalb besetzt sind. Die Sozialpädagoginnen teilen sich die eine Vollzeitstelle, die momentan vom Bezirk Oberbayern für die Tagesstätte bezahlt wird.

Tanya Damm (links) und Pia Schnell leiten die Tagesstätte Aufwind in Germering. Sie stehen vor Wandbildern mit Heißluftballons, die in der Kreativgruppe entstanden sind. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Täglich wird gemeinsam eingekauft, gekocht und gegessen. Montags kann man vormittags Spaziergänge, Morgengymnastik oder Progressive Muskelentspannung machen. Dienstags wird gebastelt, künstlerisch gestaltet und gewerkt, mittwochs getanzt. Zusätzlich finden Ausflüge statt. Welche Aktivitäten angeboten werden, entscheiden Besucher und Sozialpädagoginnen gemeinsam.

Die Besucher sollen nicht wieder fit gemacht werden für den Arbeitsmarkt. "Das Entspannende ist, dass wir genau das nicht verlangen", erklärt Pia Schnell. "Man darf bei uns so sein, wie man ist." Leistung müsse man nicht erbringen. Für manche sei es schon ein großer Schritt, dass sie es überhaupt schaffen, in die Tagesstätte zu kommen. "Man muss nichts können und nichts machen", sagt Schnell. Außer die Gruppe aushalten und sich einbringen.

Wenn nötig, werden die Klienten auf andere Hilfsangebote verwiesen, - das kann im Notfall, in einer Krise auch eine psychiatrische Klinik sein. Oft aber können Klinikaufenthalte vermieden werden, weil der Besuch der Tagesstätte stabilisierend wirkt. Diese Erfahrung haben Alexandra Lachner und andere Mitarbeiter der Tagesstätte "Rückenwind" in Fürstenfeldbruck gemacht. Durch die Stabilität der festen Tagesstruktur und frühzeitige Interventionen in Krisen werde ein Aufenthalt im Krankenhaus häufig unnötig.

Die Caritas-Tagesstätte "Aufwind" kann sich nun um mehr Menschen kümmern. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Fürstenfeldbrucker Pendant zur neuen Germeringer Einrichtung besteht seit 20 Jahren und verfügt nach mehreren Erweiterungen inzwischen über 30 Plätze. "Das ist ein wichtiger Ort der Begegnung und der ambulanten Versorgung für chronisch kranke Menschen", sagte Lachner. Freiwilligkeit und Niederschwelligkeit seien sehr wichtig. "Der Einzelne als Teil der Gruppe steht im Mittelpunkt." Es werden viele Angebote gemacht, bis hin zu Urlaubsfahrten. Die Tagesstätte sei stark frequentiert. "Zwischendurch haben wir die Plätze tageweise vergeben. Wir konnten den Bedarf nicht decken." Eine Ausweitung in Fürstenfeldbruck sei aber aus Platzgründen nicht mehr sinnvoll.

Deshalb habe man die zweite Tagesstätte beantragt und vom Bezirk auch schnell genehmigt bekommen. Diese schließe eine Lücke, sagte Birgit Weiß, Geschäftsführerin der Caritas im Landkreis. Die Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Diensts der Caritas im Landkreis hätten viel Herzblut und Engagement hinein gesteckt. Weiß dankte wie die anderen Redner besonders der Vermieterin Evi Amberger dafür, dass sie die Räume der Caritas für die Tagesstätte vermietet.

In einem kleinen, gemütlichen Raum mit Sitzecke werden Einzelgespräche geführt. (Foto: Carmen Voxbrunner)

"Das ist eine große Bereicherung für Germering", sagt Monika Fußeder, die Leiterin des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Caritas im Landkreis. Bisher hätten die psychisch kranken Menschen von Germering nach München fahren müssen - für manche ein unüberwindliches Hindernis. Die Öffnung an drei Tagen reiche aber noch nicht aus. Ein Antrag auf eine zweite Vollzeitstelle liege schon beim Bezirk Oberbayern, der das Angebot finanziert. Wird er genehmigt, soll auch donnerstags und freitags geöffnet werden.

© SZ vom 20.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: