In der Zeit von 1946 bis 1958 hielt sich Karl Breuninger etwas mehr als elf Jahre lang unfreiwillig in der damaligen Sowjetunion auf. Im mit 80 Besuchern vollbesetzten Germeringer Stadtmuseum berichtete der inzwischen 72 Jahre alte Germeringer von seinem Zwangsaufenthalt in der UdSSR. Karl Breuninger war zwei Jahre alt, als er mit seinen Eltern 1946 von Ost-Berlin in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in die Sowjetunion gebracht wurde. Sein Vater Helmut Breuninger, damals 35 Jahre alt, war als Physiker bei der Firma Askania beschäftigt und an der Entwicklung von Autopiloten für Flugzeuge beteiligt gewesen. So wie er wurden damals etwa 2000 Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker aus der damaligen Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zwangsweise in die Sowjetunion gebracht.
Rechtliche Grundlage für die Verschleppung der deutschen Fachkräfte waren die Abkommen der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs. Diese sahen nicht nur die Demontage von Industrieanlagen vor, sondern auch "Reparationen durch Arbeitsleistungen, also die Verlegung der Arbeitsorte in die UdSSR", wie Karl Breuninger erläuterte. Bekannte Wissenschaftler und Atomforscher wie Manfred von Ardenne, Gustav Hertz oder Nikolaus Riehl waren zuvor offenbar freiwillig in die Sowjetunion gegangen. Aber auch die US-Amerikaner und die Briten rekrutierten Wissenschaftler und Fachkräfte aus Deutschland. Der ehemalige SS-Mann und Raketenspezialist Wernher von Braun ist der bekannteste gewesen.
Die geheime Aktion Ossawakim der sowjetischen Militäradministration fand in der gesamten SBZ statt. So tauchte am frühen Morgen des 22. Oktober 1946 auch bei Helmut Breuninger ein sowjetischer Offizier auf und bat ihn nachdrücklich, sich sofort für die Reise in die UdSSR bereit zu machen. "Bewaffnete Soldaten waren dabei", so der Sohn heute. "Die Soldaten halfen auch beim Packen", erzählte Karl Breuninger. "Es durfte alles mitgenommen werden." Verfrachtet wurde alles in Güterwaggons eines Zuges mit dem Ziel UdSSR. Auch alle Familienangehörigen konnten mitreisen. "Sogar Sonderwünsche wurden erfüllt", so Breuninger. Manche hätten statt der Ehefrau ihre Freundin mitgenommen. Auch ein Pelzmantel wurde noch kurzfristig beschafft.
Die meisten deutschen Spezialisten wurden in die Region um Moskau gebracht. Helmut Breuninger arbeitete zunächst vier Jahre in Kuibyschewsk nahe Samara an der Wolga. Die Deutschen erhielten eine Vorzugsbehandlung. "Ihre Gehälter waren doppelt so hoch wie die der Russen", so Karl Breuninger. Erlaubt waren Geldüberweisungen an Angehörige daheim. Die Deutschen lebten zusammen in einer Häusersiedlung und konnten sich auch nahezu frei bewegen. Karl Breuninger zeigte Bilder eines unbeschwerten Kinderlebens, auch in den folgenden vier Jahren in der Nähe von Moskau. Er wurde 1951 eingeschult und fuhr mit anderen Kindern ins Sommerferienlager. "Das klingt alles sehr positiv, aber die Eltern wussten nicht, ob sie jemals zurückkommen nach Deutschland", sagte der Referent. Nach Moskau mussten die Breuningers, die nach Westdeutschland wollten, noch bis Februar 1958 im heute georgischen Suchumi am Schwarzen Meer ausharren. Schließlich ging es dann nach Ulm, wo der Vater eine Anstellung bei Telefunken fand. Karl Breuninger hat sehr viel Mühe in die Recherche gesteckt, um die Zeit in der UdSSR akribisch nachzuzeichnen. Er fuhr mehrmals zurück an die Orte seiner Kindheit und besuchte auch seine Lehrerin. Sehr informativ ist auch seine Internetseite: www.karlist.net/spez/index_spez.html.