Germering:Ganz große Bühnenkunst

Wolfgang Krebs

"Zehn Minuten" hallt es mehrmals durch den ausverkauften Orlandosaal, eine Hommage an die legendäre Transrapid-Rede.

(Foto: Günther Reger)

Furioser Auftritt von Wolfgang Krebs in der Stadthalle

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Wenn Wolfgang Krebs, alias Edmund Stoiber, das Vermächtnis des ehemaligen Ministerpräsidenten auf Sinatras "My Way" anstimmt, singt der Saal mit. "Zehn Minuten" hallt es mehrmals durch den ausverkauften Orlandosaal der Germeringer Stadthalle. Jenes "Zehn Minuten" bezieht sich freilich auf das legendäre Transrapid-Gestammel. Stoiber ist der eindeutige Star unter den vielen Figuren, die Krebs auf die Bühne bringt. Die facettenreiche Wortakrobatik, die er Stoiber immer wieder in den Mund legt, schafft schon allein grenzenloses Vergnügen im ausverkauften Saal. Das Publikum dankt es Krebs bei seiner "Watschenbaum-Gala" mit einem wahren Begeisterungssturm.

In einem Nonstopp-Defilée lässt Krebs vor allem bekannte Figuren aus der Politik zur Rede ans Volk antreten. Zur entsprechenden Verkleidung geht er nicht von der Bühne herunter, sondern hinter einen großen Paravent. Im Nu kommt er als Markus Söder, Horst Seehofer oder Joachim Herrmann samt passender Perücke wieder hervor. Söder und Seehofer sind bekannte Figuren von Krebs, aber Herrmann? Der kommt wirklichkeitsgetreu stocksteif um die Ecke ans Rednerpult, dass sich die Besucher vor Lachen schütteln. Krebs lässt Herrmann so bedächtig reden, dass dieser wie von der Off-Stimme angekündigt, "zehn Zeilen auf zwei Stunden strecken kann." Das gegurkste Lachen Seehofers, "der Ministerpräsident auf Lebenszeit", imitiert er gekonnt.

Nicht weniger akrobatisch als Verkleidungskunst und wunderbar saltoschlagende Worte, tobt sprechtechnisches Können sich auf der Bühne aus. Etwa acht Versprechvariationen der "Relativitätstheorie" des "Oscarpreisträgers Alfred Einstein" vom Bühnen-Stoiber rasen so rasant durch den Raum, dass keine Chance zum Mitschreiben bleibt. Und wenn das Plusquamperfekt zum "Plus-gwambert-fett" wird, weil es sich dabei um eine Vergangenheit handelt, die so alt ist, dass sie schon einen Bauch hat, geschieht das so rasch und so nebenbei, dass es längst nicht alle das mitbekommen. Die Rasanz der Wortakrobatik von Krebs bewirkt, dass der komplette Saal häufig noch über die vor-vorletzte Pointe lacht.

Krebs hat jedoch nicht nur Politiker-Figuren im Programm. Grandios ist er auch als Hochzeitsredner Schorsch Scheberl. In bayerischer Tracht bedenkt er das Brautpaar mit einer gehörigen Portion Frauenfeindlichkeit und Rassismus, heiratet die wohlhabende Bauerntochter doch den Flüchtling Hussein, weil ihr aus dem Dorf niemand passte. Doch dann treten wieder Politiker auf. Angela Merkel mimt Krebs im türkisen Blazer. Die ist mit Ehemann im Allgäu auf Urlaub und wundert sich über die derbe bayerische Ausdrucksweise. Auch Joachim Gauck ("die untere sprechende Zahnreihe") ist dabei; Markus Söder, der "Minister für Realitäts-Abbau" tritt sogar zweimal auf. Nur Donald Trump oder "Trumpf", wie "Stoiber" ihn nennt, fehlt noch; der erhält per Applausmessung den "Watschen-Baum" vom Publikum.

Am besten ist Krebs aber als Stoiber. Bei ihm wird die "Koryphäe" zur "Konifere" und pendelt bei seinem Wohnort zwischen Hausratswolfen und Ratswolfhausen stotternd hin und her, so schnell wie einst der ausgebremste Transrapid. "Wenn sie meinen, was ich verstehe", ist der Lieblingssatz von Krebs, den er Stoiber in den Mund legt. Mit jedem neuen Auftritt, mit jeder neuen Rolle, die er einnimmt, mit jeder neuen Rede entzündet Krebs ein neues Feuerwerk der Bühnenkunst. Und wie bei einem Feuerwerk bleibt keine Zeit, jede der grandios funkelnden Pointen zu belachen, weil schon die nächste und übernächste furios aufsteigt, aber, schließlich: "Die Basis ist das Fundament aller Grundsätze", und bekanntermaßen machen die tausend Dinge, die das Publikum nicht mitbekommen, die Qualität einer Darbietung aus. Wie viel Talent, Arbeit und Können in dieser Show steckt, ist kaum zu ermessen. Prasselte doch eine schier endlose Kaskade überbordender Kreativität auf die Zuschauer nieder.

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