Süddeutsche Zeitung

Germering:Frauen im Scheinwerferlicht

Zwei Filmemacherinnen sprechen über eine schwierige Branche

Von Florian J. Haamann, Germering

Es sind zwei Filmemacherinnen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Die Germeringerin Vera Greif, die sich selbst irgendwo zwischen Hobby- und Profifilmerin einordnet, und Sanne Kurz, gefragte Kamerafrau, Dozentin an der Münchner Filmhochschule und Landtagskandidatin der Grünen. Und doch verbindet sie vor allem eines: Sie müssen sich als Frauen in einer Branche durchsetzen, die immer noch oft von Männern dominiert ist. Besonders deutlich wird das an einer Zahl, die Kurz nennt: 95 Prozent des Fördergeldes landet heute noch in den Händen von Männern, die die Mehrzahl der Produzenten und Regisseure stellen. Nur wenn man die "klassischen Frauenberufe", wie sie es nannte, wie etwa Maske und Kostüm dazunehme, komme man auf eine Förderquote von einem Drittel. Auf Einladung der Grünen haben Greif und Kurz im Germeringer Cineplex über ihre Arbeit und die Erfahrungen in der Filmwelt gesprochen. Etwa 50 Gäste waren gekommen, um die von Sepp Dürr moderierte Veranstaltungen zu verfolgen.

Um einen Eindruck von der Arbeit der beiden zu geben, wurde vor der Diskussion je ein Film von Greif und Kurz gezeigt. Greif hat 2017 eine Dokumentation über die Geschichte der Frauenbewegung in Germering gedreht. Es kommen Protagonistinnen wie Marhild Liebermann, die erste Gleichstellungsbeauftragte, Brigitte Breitenbach, die Gründerin der Fraueninitiative und des Frauen- und Mütterzentrums, und Ulrike Hecker vom Frauengesprächskreis Don Bosco zu Wort. Sie alle erzählen von den Widerständen, mit denen sie zu kämpfen hatten, sprechen über die Frauenbewegung heute, die viel zu wenig sichtbar sei. Der Film ist ein hoch interessantes Stück Zeitgeschichte, das zwar in Germering spielt, aber viel über gesellschaftliche Entwicklungen insgesamt erzählt. Und das zeigt, dass der Weg zur Gleichberechtigung noch immer weit ist. Die komplette Dokumentation ist kostenlos unter www.veragreif.de/projekte abrufbar.

Mit einem ganz anderen Thema hat sich Sanne Kurz in ihrem Kurzfilme "Die Herberge" beschäftigt. Die Komödie erzählt die Geschichte eines älteren Ehepaars, das beim Wandern in einen vermeintlichen Gasthof einkehrt und sich anfangs wundert, warum dort nur Ausländer arbeiten, die kaum Deutsch sprechen. Erst gegen Ende klärt sich auf, dass das Gebäude zur Flüchtlingsunterkunft umfunktioniert worden ist. Es entsteht spontan eine Freundschaft zwischen dem Paar und den drei Geflüchteten. Besonders rührig ist die Geschichte, weil sie auf einer wahren Begebenheit basiert, das Ehepaar und die jungen Männer sind bis heute freundschaftlich verbunden.

Im Anschluss an die Vorführungen wurde dann intensiv diskutiert. Etwa über die Absurdität der deutschen Filmförderung. Kurz erklärte, dass es durchaus möglich sei, viel Geld aus den Töpfen zu bekommen und gleichzeitig die Crew weit unter Mindestlohn unter prekären Bedingungen zu beschäftigen. "Ich habe mehrere Jahre in Australien gearbeitet, da kriegt man nur Geld, wenn man auch normal bezahlt. Die Verhältnisse in Deutschland sind ein Skandal." Im Ausland habe sie auch erlebt, dass für sie ein Wohnmobil mit Babysitter gemietet werde, damit sie mit ihrem Kind am Set arbeiten habe können.

Vera Greif erklärte, dass sie eine Förderung für Späteinsteiger vermisse. Sie hat lange als Fotografin im Journalismus gearbeitet, bevor sie vor einigen Jahren hinter die Kamera gewechselt ist. Unterstützung gab es keine. Als Newcomer werde nur gefördert, wer auch jung sei. Deshalb habe sie sich alles im Selbststudium beigebracht. "Mir macht das einen wahnsinnigen Spaß, aber es ist nicht nur anstrengend, sondern auch teuer." Dafür habe sie nun eine Nische für sich gefunden. Als Autodidaktin kann sie nicht das Gleiche liefern, was große Produktionsfirmen anbieten. Dafür koste ihre Arbeit auch nicht soviel. In diesem Segment bestehe durchaus auch gewisser Markt.

Bei aller Kritik am System fand Kurz auch kritische Worte für die Frauen. "Was mir fehlt, ist, dass die Bewegung nicht politisch wird. Es werden Workshops und Podien organisiert, auf denen Diskussionen geführt werden, die so seit zwanzig Jahren geführt werden. Aber kaum jemand geht in Parteien oder stellt konkrete Forderungen an die Politik."

Deshalb will sie mit gutem Beispiel vorangehen und ist vor kurzem bei den Grünen eingetreten. Und hat prompt einen Listenplatz bei den Landtagswahlen bekommen. Im Oktober also wird sich entscheiden, ob sie in den kommenden fünf Jahren weiter Filme macht oder als Abgeordnete für fairere Bedingungen in der Branche kämpfen kann.

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Quelle:
SZ vom 13.08.2018
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