Ludwig Wolf streicht seiner Maria während des Gespräches immer mal wieder liebevoll über die Wange. "Unsere Mutti", sagt er dann genauso liebevoll mit einem Lächeln zu ihr. "Dieses Mädchen will ich heiraten", erzählt Ludwig Wolf und erinnert sich noch gut an die Zeit des Kennenlernens. "Die ist die Richtige, das habe ich gleich gewusst." Das war im Kriegsjahr 1941, als er 23 Jahre alt war. Geheiratet wurde dann erst nach Kriegsende am 18. Dezember 1945. Das macht bis heute exakt 70 Jahre Ehe und das heißt Gnadenhochzeit. Oberbürgermeister Andreas Haas gratulierte mit einem Geschenkkorb im Namen der Stadt. Am Samstag wird in einem Germeringer Seniorenheim gefeiert. Fünf der sechs Kinder kommen, dazu viele Enkel und Urenkel. Der Abt vom Kloster Ettal wird den Gottesdienst abhalten.
Ludwig hatte sich sehr um Maria bemüht. 1941 war er Leutnant und an der Westfront im Einsatz gewesen. Der damals 23-Jährige kam ins Allgäu zu einem Übungsschießen und suchte eine Begleitung für den Manöverball in der Bahnhofswirtschaft in Woringen bei Memmingen. Im Zug hatte er die 19-jährige Maria gesehen, aber nicht angesprochen. Ludwig erkundigte sich beim Bahnhofsvorsteher nach dem Namen der hübschen blonden Frau. "Dann klingelt bei uns das Telefon", erinnert sich Maria. Sie war Sekretärin im Kies- und Ziegelwerk ihres Vaters gewesen und machte gerade Mittagspause. Sie dachte ihr Vater wollte wieder einmal überprüfen, ob sie auch in der Pause am Platz ist. "Ich bin dann doch ans Telefon gegangen", erzählt Maria. Ludwig meldete sich mit "Leutnant Wolf am Telefon" und lud sie zum Ball ein. "Er wollte nicht mit der langhalsigen Tochter des Bürgermeisters tanzen", hatte er ihr gesagt.
Doch so einfach war das damals nicht eine noch Minderjährige zum Tanz auszuführen. Marias Vater wollte den Herrn schon kennenlernen. So fuhr Ludwig mit einer Kutsche bei den Eltern von Maria vor und fand Gnade beim Vater. "Getanzt wurde dann gleich bis in die Morgenstunden", berichtet Sohn Bernhard Wolf. Er ist mit 69 Jahren der älteste Sohn von Maria und Ludwig. Er hat noch fünf jüngere Geschwister. Der jüngste Bruder ist 57 Jahre alt. "Die Kinder haben wir alle gut erzogen", sagt Maria Wolf. "Prügel haben die nicht gebraucht." Doch bis zur Geburt der Kinder war es 1941 noch lange hin. Ludwig, der nach dem Abitur im Internat im Kloster Ettal zwei Semester Jura studiert hatte, musste an die Ostfront nach Russland. Kurz vor Moskau war er beim Artilleriebeschuss der Wehrmacht auf die russische Hauptstadt dabei.
Ludwig schrieb Maria viele Briefe. "Ich habe viel gebetet, dass ich wieder gut heimkomme", sagt er plötzlich sehr ergriffen und es kommen ihm die Tränen. "Beten hat geholfen." Ludwig ist in Altötting aufgewachsen und war schon immer ein tief gläubiger Mensch. Verwundet kam er in Königsberg ins Lazarett und ist von dort mit dem "letzten Schiff", so der Sohn, über die Ostsee zurück in die Heimat gekommen. Das schaffte er nur, weil er den Sohn des Kapitäns kannte, mit dem er in Ettal ins Internat gegangen war. Die Kriegserlebnisse hat Ludwig Wolf immer noch sehr präsent: "Das ist schlimm, wenn man im Krieg auf Menschen schießen muss, die einem nichts getan haben. Aber ich habe keinen erschossen." Im Dezember 1945 heirateten Ludwig und Maria in Lachen bei Memmingen. Der Schwiegervater bot ihm eine Stelle als Ziegelmeister in der Ziegelei in Großmannshofen an. Später wurde Ludwig Geschäftsführer und Direktor des Unternehmens. 1981 ging er in Rente. Seine Frau Maria war eine begeisterte Sängerin gewesen. Sie sang im Kirchenchor, einige Jahre auch als Altsolistin. Maria ist heute 93 , Ludwig 97 Jahre alt. Beide wirken gesund und sind gesprächig. Seit 2010 leben sie in Germering in einer Wohnung im Seniorenheim, ihre Kinder besuchen sie dort oft.