Germering:Die Schule soll Kinder und Jugendliche nicht bewerten

Germering: Diskussion übers Schulsystem: Der SPD-Nachwuchs spricht mit Martin Güll (stehend, rechts) und Christian Winklmeier (4. von links).

Diskussion übers Schulsystem: Der SPD-Nachwuchs spricht mit Martin Güll (stehend, rechts) und Christian Winklmeier (4. von links).

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Germeringer Jusos diskutieren über das bayerische Bildungssystem und äußern ihre Vorstellungen für eine Veränderung

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Juso Jonathan Grundmann und seine jungen Mitstreiter sind einigermaßen überrascht, dass sich 30 Besucher in der Germeringer Stadthalle eingefunden haben, um ein eher sprödes Thema zu behandeln. "Wie steht's um das bayerische Schulsystem?" fragen die Jusos. Auf Englisch hatten sie in Germering plakatiert: "Let's talk about Education." Grundmann stellt anfangs sofort klar: "Wir sind kein Meckerverein. Wir wollen Ideen zur Bildung sammeln und die dann bei den Jusos weiterverfolgen." Der 18 Jahre alte Juso-Kreisvorsitzende und angehende Abiturient fordert dann die Versammlung auf, Themen zu nennen, über die man an Gruppentischen diskutieren könne.

Das klappt dann auch. Jung und Alt werfen Begriffe in die Runde. Zwölf Themen kommen bei der Juso-Sitzungsleitung an. Fünf Tisch-Themen werden per Abstimmung bestimmt. Diskutiert wird eifrig über das Ziel des Schulsystems, über Stress für Schüler, über das Notensystem und über die Lehrerfortbildung. Interessant ist, dass der Begriff Digitalisierung und Schule oder Bildung an diesem Abend von niemandem genannt wird. Herrscht noch zu viel Unsicherheit, wie die Digitalisierung im Schulalltag aussehen soll? Es sieht ganz so aus. "Erst muss die Pädagogik geklärt werden, dann kommt die Technik dran", sagt auch der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Güll, der im Landtag den Bildungsausschuss leitet, im Gespräch mit der SZ. Güll ist von den Jusos als Fachmann eingeladen worden; auch Christian Winklmeier, der Landtagskandidat für Fürstenfeldbruck-West, beteiligt sich an den Tischgesprächen.

Martin Güll kritisiert die vermeintliche Digitalisierungsoffensive, die auch in Bayern betrieben werden soll. "Jetzt wird von der CSU-Staatsregierung Geld verteilt und keiner weiß, was damit zu tun ist." So ähnlich laufe es mit der Rückkehr zum G 9 an den Gymnasien. "Dazu fällt der Regierung nichts ein", sagt Güll. "Sie machen einfach das G 8 weiter." Güll ist der Wortführer des SPD-Konzepts einer Gemeinschaftsschule bis zur zehnten Klasse. Danach kann der Realschul- oder Mittelschulabschluss erfolgen; andere Schüler setzen noch zwei Jahre bis zum Abitur drauf. "Dieses Angebot gibt es in Baden-Württemberg schon an 260 Schulen", erzählt Güll. Im Bayerischen Landtag zeichnet sich für das SPD-Schulkonzept keine Mehrheit ab. "Wir geben nicht auf", bekräftigt der 64-jährige Abgeordnete aus Dachau jedoch, der im Herbst wieder kandidieren wird.

Güll lobt die "grundsätzliche Diskussion über Schule und Bildung", die die Jusos anbieten. Er wechselt von Tisch zu Tisch, um sich die engagierten Debatten dort anzuhören. "Menschen sollen nicht bewertet werden", steht auf dem Papier, das am Notentisch geführt wird. Plädiert wird dagegen für ein "konstruktives Bewertungssystem, das "vielfältig und einzelfallbezogen" sein solle. "Einmal im Monat ein Schüler-Lehrer-Gespräch", steht weiter unten auf dem Zettel. Es müsse neben der fachlichen Beschulung vor allem auch um "Menschenbildung" in der Schule gehen, hat SPD-Stadträtin Fereschteh Erschadi-Zimmermann nachdrücklich in die Debatte eingebracht. Daran müsse sich Schule messen lassen.

Das findet Zustimmung bei den Besuchern. Schülerstress wird allseits stark bemängelt; vor allem das Bulimie-Lernen, das vorherrsche mit zu vielen Tests in kurzer Zeit. Dabei kommt man immer wieder - ein ganz alter Hut ohne Konsequenzen - auf kleinere Klassen und auf mehr Lehrer zu sprechen. Winklmeier kritisiert die Auslese nach der vierten Grundschulklasse. Er erlebe das schon als Übungsleiter beim Tischtennis. "Da kommt es vor, dass Neun- oder Zehnjährige nur noch einmal zum Training kommen, weil sie für das Übertrittszeugnis lernen müssen."

Außerdem zeigen sich die Jusos erfreut über die positive Resonanz in den vergangenen Monaten. Der Bundesvorsitzende Kevin Kühnert habe für Publicity gesorgt, heißt es. 110 Mitglieder haben die Jusos im Landkreis, berichtet Grundmann. "Wir wollen diesen Rückenwind nutzen", sagt er. Dabei hat er auch die SPD im Fokus: "Die Erneuerung der Partei ist dringend nötig."

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