Süddeutsche Zeitung

Germering:Die mit der Kettensäge tanzen

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Auf dem alten Kasernengelände arbeiten 16 Künstler zehn Tage lang an ihren Skulpturen aus Stein und Holz. Dabei kommt es weniger auf Muskelkraft, sondern viel mehr auf Ideenreichtum und Technik an

Von Julia Bergmann, Germering

Was Johannes Hofbauer über die schweren Maschinen sagt, klingt äußerst poetisch. "Man muss mit der Kettensäge tanzen können", so seine Meinung. Hofbauer ist einer von 16 Künstlern die momentan auf den Germeringer Werktagen Holz und Stein in Skulpturen verwandeln. Dabei kommt es vor allem auf die Technik an. "Die Kettensäge ist ein schweres, derbes Werkzeug, aber wenn man sie beherrscht, kann man sehr filigran damit arbeiten", fügt Michael Glatzel, Steinbildhauer und Initiator der Werktage, hinzu. Glatzl lügt nicht. Wie als Beweis steht in einem der kleinen Räume des Wifo-Geländes, wo die Werktage auch in diesem Jahr wieder stattfinden, eine Arbeit von Gaby Kromer. Sie heißt "Nach dem Fang" und zeigt eine Szene am Meer, festgehalten in massivem Holz. Eine Gruppe kleiner Menschen steht am Strandufer, sie halten einen blauen Wal in ihren Händen. Die Szenerie ist erstaunlich detailreich ausgearbeitet. Ein Gespräch über den Walfang hat die Künstlerin zu dem Stück inspiriert. "Am nächsten Tag - Hokuspokus - war der Fisch fertig", sagt sie und lacht.

Zum sechsten Mal finden die Germeringer Werktage, organisiert vom Kunstkreis Germering, in diesem Jahr statt. Das Besondere daran ist die Arbeit in der Gemeinschaft. Dazu haben die wenigsten der vertretenen Künstler sonst Gelegenheit, immerhin lassen sich schwere Holzblöcke und Steinbrocken nicht so einfach transportieren. "Jeder hat eine andere Vorgehensweise. Man befruchtet sich gegenseitig, tauscht sich aus und lernt voneinander", sagt Glatzel. Noch bis zum 24. Juli wird auf dem Gelände geflext und gesägt, dann werden die Werke gleich im Anschluss zwei Tage lang bei den offenen Ateliertagen im Atelierhaus an der Salzstraße ausgestellt.

Draußen, inmitten eines klangvollen Konzerts aus kreischenden Flex-Maschinen und ratternden Motorsägen, arbeitet Hofbauer, der Mann der mit der Maschine tanzt, an einer elliptischen Figur. Ihr Inneres ist hohl, die Ellipse ergibt sich lediglich aus einer Art Holzgestänge, ausgesägt aus einem massiven Stück Ahorn. Eine anspruchsvolle Arbeit, bei der das Schwert der Säge exakt geführt werden muss. Er habe den Anspruch, Formen aus einem Stück zu fertigen, die andere aus mehreren Teilen zusammensetzen. "Bei solchen Arbeiten ergeben sich oft Negativformen, die noch spannender sind", erklärt er.

Die Künstler, die sich auf dem ehemaligen Kasernengelände zusammengefunden haben, arbeiten auf hohem Niveau. Ihr Werkstoff bringt es mit sich, dass nicht immer alles so läuft, wie zuvor geplant. Steinhauer Brian Whitehead war erst am Samstag in so einer Situation. "Da ist mir ein Stein in der Mitte durchgekracht", erzählt er. Whitehead nimmt das sportlich. "Jetzt hab ich eben zwei", sagt er. Und das Spiel geht wieder von vorne los. Das Betrachten der Form, Farbe und Maserung, das Überlegen, was aus den beiden Einzelteilen Neues entstehen wird. "Man muss eine große Frustrationstoleranz haben", sagt Glatzel. Momente wie diese kenne jeder.

Ein Stück weiter hinten im Garten arbeitet Else Nietmann an einem frischen, duftenden Stamm Kirschholz. In groben Zügen und verwinkelten Schnitten deuten sich erste Formen an. Während ihre Kollegen noch rätseln, erklärt Nietmann, dass es sich um fünf aneinandergereihte Figuren handle. Die Reihe zeigt die immer gleiche Figur in einem Bewegungsablauf. Eine Frau, die sich auf die Seite gleiten lässt, zusammen und langsam wieder auseinander rollt. Nietmann ist Schülerin der Feldenkrais-Methode, einem körperorientierten, pädagogischen Verfahren, das sich in ihrer Arbeit widerspiegelt.

Weiter vorne auf dem Areal arbeitet Stefanie von Quast, die Frau, der es nicht hart genug zugehen kann. Zumindest, was ihren Werkstoff angeht. Gerade hat sie zwei Figuren aus fein schimmernden Blue-Pearl-Granit fertig gestellt. "Granit ist insofern recht angenehm zu bearbeiten, weil man ein bisschen auf ihn einschlagen kann, ohne dass gleich was passiert", sagt sie. Ganz anders als der weiche Speckstein, der der Künstlerin nur ein entschiedenes "Nee, reizt mich gar nicht", entlocken kann.

Neben ihr stehen die beiden ungarischen Künstler Ferenc Nemes und László Zoltan Szabó. Während Szabós Arbeit abstrakt in schwedischem Granit und Unterberger Marmor gehalten ist, feilt Nemes an einer Flamencotänzerin aus Marmor. Seit vier Jahren kommen die beiden aus der Partnerstadt Balatonfüred hierher. Mit der Verständigung ist es etwas schwierig, aber Nemes findet es hier "Schön, gut, sehr gut!", wie er enthusiastisch ausruft. Dann wollen die deutschen Worte nicht so recht kommen. Er zeigt auf Glatzl, dann macht er eine ausladende Bewegung über das sonnige Gelände, lacht und klopft sich zweimal mit seiner Hand aufs Herz. Ein toller Ort.

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SZ vom 20.07.2015
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