Germering:Die Liebe siegt

Germering: Anmut und zuweilen auch Akrobatik bietet das Russische Nationalballett bei seinem Auftritt in Germerings Stadthalle.

Anmut und zuweilen auch Akrobatik bietet das Russische Nationalballett bei seinem Auftritt in Germerings Stadthalle.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Russische Nationalballett lässt den "Schwannensee" in Germering mit einem Happy End ausgehen

Von Valentina Finger, Germering

Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse schaffen es überall hin, heißt es in einem Spruch. In Peter Tschaikowskys Ballett "Schwanensee" wird die verwunschene Protagonistin Odette von einem Zauberer gefangen gehalten, während ihre düstere Doppelgängerin Odile an ihrer statt den Prinzen verführt. In manchen Aufführungen siegt das Böse, das Odile verkörpert. Odette hingegen stirbt - die Gute landet sozusagen im Himmel. Das Russische Nationalballett hat sich in seiner Inszenierung in der Stadthalle Germering für eine andere der möglichen Varianten der Schlussszene entschieden: Prinz Siegfried bezwingt den Zauberer und gewinnt Odette für sich. Dass die Liebe doch noch über den Hass triumphiert, ist eine passende Botschaft für die besinnliche Zeit zwischen den Jahren.

Anastasiia Abramova tanzt Odette und Odile. Jene Doppelbesetzung ist üblich, was die Rollen so anspruchsvoll macht. Der Wechsel von Odette, dem weißen Schwan, der von unerfülltem Liebesbegehren gequält wird, zur berechnenden Femme fatale gelingt Abramova meisterlich. Als Odette scheint jede ihrer Bewegungen schmerzhaft zu sein. Da ist Grazie, aber keine Leichtigkeit in ihrem Tanz. Der schwarze Schwan, Odile, hingegen tanzt frei und sinnlich; ihre berühmten 32 gedrehten Fouettés erzeugen den Effekt von Schwerelosigkeit. Folglich ist auch ihr Miteinander mit Prinz Siegfried, dargestellt von Maksim Gurtovykh, ein anderes: Leidenschaft prägt ihren Pas de deux im dritten Akt, im Kontrast zum gemeinsamen Leiden, das seine Beziehung zu Odette ausmacht.

Die fühlbare Distanz, die trotz aller physischer Verschlingungen zwischen dem Prinzen und dem weißen Schwan bleibt, manifestiert sich in der Rolle des bösen Zauberers. Timofey Fedorenko tanzt diesen mit einnehmender Anmut, die Bühne gehört ihm jedes Mal, sobald er sie betritt. Der Zauberer ist der Marionettenspieler, der Odiles Verführung von Siegfried lenkt. Seine subtilen Eingriffe in den Paartanz der beiden wirken wie eine stete Neujustierung der Puppen, die sich nach seinen Vorstellungen bewegen.

Dominiert wird die tänzerische Darbietung Fedorenkos durch die zahlreichen Sprünge. Diese werden durch die Parts des Hofnarren komplimentiert. In der Verkörperung durch Egor Burba ist jener der schillernde Mittelpunkt des Geschehens am Königshof. Seine Choreografie ähnelt an vielen Stellen der des Zauberers. Doch während Fedorenkos Sprünge ein Gefühl von Wut, Macht und Durchtriebenheit assoziieren, spricht aus Burbas Bewegungen eine heitere Zuversicht, vielleicht sogar ein heimliches Wissen, dass am Ende alles gut werden wird. Ihre Rollen interagieren nicht. Doch Burba und Fedorenko stellen als Gegenkräfte, wie eine männliche Parallele zu dem weißen und schwarzen Schwan, die Balance in dieser Inszenierung her.

Ein kurzer Höhepunkt ist in Germering auch der Auftritt von Alexi Riumin. Seine Parts im Tanz der russischen Braut entfernen sich etwas vom klassischen Ballett und grenzen an Akrobatik, die sogar Narr und Zauberer in den Schatten stellt. Die Problematik bei all diesen Sprüngen sind die Landungen: Die zu geringe Lautstärke der Musik erlaubt an jenem Abend, jede davon deutlich zu hören. Auch die grazilen Schritte der Tänzerinnen und Tänzer sind vernehmbar, was Tschaikowskys Komposition etwas von ihrem Zauber nimmt. So schön ein Live-Orchester zum Ballett ist, es muss nicht sein, wenn der Raum es nicht zulässt. Doch eine höhere Klangqualität wäre in diesem Fall wünschenswert gewesen.

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