Germering:Die Angst vor dem Verblassen

Das Theater Im Rossstall probt die deutsche Erstaufführung von "Geliebte Diva oder Kirschen im Schnee". Ein Stück über eine alternde Schauspielerin, die vor ihrem letzten Auftritt ihr Leben reflektiert

Von Florian J. Haamann, Germering

Noch läuft es nicht so rund auf der Bühne im Rossstall, die Schauspieler wirken noch etwas verloren, der Text wirkt mehr aufgesagt als gespielt und manchmal fehlt er ganz. Alles kein Problem, sagt Regisseurin Cecilia Gagliardi strahlend. "Wir hatten noch keinen kompletten Probendurchlauf, da müssen wir erst den Rhythmus finden. Tempo, Timing, weg vom Text, daran müssen wir einfach noch arbeiten", sagt sie, springt auf und läuft Richtung Bühne. "Halt dich an deiner Flasche fest, sie ist dein einziger Halt an diesem Abend", ruft sie Mike Meister zu, der einen verzweifelten, frustrierten Schauspiel-Agenten spielt. "Das ist definitiv ein armes Schwein", sagt Gagliardi dann. "Gerade die überzeichneten Figuren wie ihn müssen wir noch entwickeln. Es sind kleine Karikaturen und die Schauspieler müssen sich einfach trauen, das auch zu spielen."

Das Stück, das hier so powervoll geprobt wird heißt "Geliebte Diva oder Kirschen im Schnee" und hat am Samstag, 8. November, im Rossstall seine deutsche Erstaufführung. "Es wurde anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft in Rio uraufgeführt, es ist also ein ganz neues Stück", sagt Theaterleiter Willi Hörmann, der auch als Schauspieler auf der Bühne steht und für das Bühnenbild verantwortlich ist. Als er das Manuskript gelesen hatte, war er sofort begeistert. "Ich war gleich der Meinung, dass es ein tolles Stück für unsere Irma Wachter wäre, und außerdem habe ich mir gedacht, wir könnten doch mal Theater im Theater spielen", so Hörmann.

Irma Wachter, die seit mehr als 30 Jahren im Ensemble aktiv ist, spielt die Hauptrolle: Lydia Martin, eine gealterte Diva, die an diesem Abend ihren letzten Auftritt hat. Extra für sie wurde noch einmal Tschechows Kirschgarten auf den Spielplan genommen, damit sie noch einmal so richtig glänzen kann. Vor dem Auftritt versammeln sich in ihrer Garderobe allerdings noch einige der zahlreichen Männer, die in ihrem Leben wichtig waren oder sind. Ihr Sohn Daniel, der mit dem divenhaften Leben seiner Mutter und ihrem neuen Verlobten wenig anfangen kann. Mit diesem möchte Lydia nach der Vorstellung in die Schweiz ziehen. Das will wiederum ihr Ex-Mann Paul verhindern, der in Lydia noch immer die große Schauspielerin (und leidenschaftliche Liebhaberin) sieht, die auf die Bühne gehört. Und auch Barry, der Agent, dessen einziger Erfolg die Entdeckung Lydias war, will sie unter anderem mit einer neuen Rolle dazu bewegen weiter zu machen - schon alleine, um nicht selbst dem Untergang geweiht zu sein.

Rossstall-Theateer

Dass die Diva gar nicht so geliebt wird, wie es der Titel verspricht, wird auf der Bühne deutlich. Bei den Männern geht es nur um sich selbst.

(Foto: Günther reger)

Lydia möchte "abtreten, solange ich noch halbwegs Spitze bin". Es ist also nicht so, dass sie freiwillig abtritt. Vielmehr ist es die Angst, von der jungen Konkurrenz verdrängt zu werden und zu verblassen. Dass Lydia der Abschied nicht leicht fällt, wird immer wieder klar. Doch das Stück stellt nicht die Schwere des Themas in den Vordergrund, sondern kommt in weiten Teilen sehr dynamisch und gespickt mit pointenreichen und gehässigen Dialogen daher. Denn bis auf den Verlobten mag niemand die Diva so richtig, aber jeder muss versuchen, mit ihr auszukommen - weil alle auf ihre Weise von Lydia abhängig sind.

"Es ist vom Ausmaß ein gewaltiges Stück und für die Schauspieler ein Kraftakt, das durchzuhalten", sagt die Regisseurin und promovierte Opernsängerin Gagliardi, die bereits seit mehreren Jahren am Rossstall inszeniert. Aber nicht nur ihre Schauspieler werden in den nächsten Wochen noch einige Zeit und Energie auf der Bühne lassen. Auch Gagliardi steht psychisch wie physisch unter Hochspannung. "Gleich kommt wieder was", presst sie noch kurz hervor, bevor sie wieder einmal aufspringt und hektisch Richtung Bühne läuft.

"Geliebte Diva oder Kirschen im Schnee" im Theater im Rossstall in Germering. Premiere am Samstag, 8. November, 20 Uhr. Nächste Vorstellungen am 9., 16., 23., 30. November, jeweils um 19 Uhr. Weitere Termine im Dezember und Januar. Der Eintritt kostet 14 Euro mit Speisen- und Getränkeservice und 10 Euro auf der Galerie. Weitere Informationen online unter www.germeringer-rossstall.de.

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