Germering:Chromblitzende Verführung

Der Germeringer Christian Förster hat sich einen Traum erfüllt: Er bietet die alte Brennerei als Lagerplatz für Oldtimer an und restauriert hier auch selbst Fahrzeuge.

Von Stefan Salger

Vor ein paar Monaten lieferten hier noch Lastwagenfahrer tonnenweise Kartoffeln, Mais oder Weizen an. Sie fuhren links am hohen Ziegelschlot vorbei, durchs Rolltor mitten rein in die große Halle, kippten ihre Ladung seitlich ab, fuhren an der Hinterseite der Germeringer Destillerie entlang und wieder raus auf die Augsburger Straße. Würden sie es heute noch so machen, sie würden bei Automobilenthusiasten einen Sturm der Entrüstung entfachen, gefolgt von saftigen Schadenersatzforderungen. Denn in der 1947 errichteten Brennerei, gleich neben dem Hotel Mayer, parken nun Oldtimer aus aller Welt.

Germering: Alte SCHNAPSBRENNEREI - 'Betreutes Parken'

Christian Förster in der Halle, in der die Oldtimer parken.

(Foto: Johannes Simon)

Der 47 Jahre alte Christian Förster hat das Haus gepachtet und sich damit einen Traum verwirklicht. Er restauriert alte Autos und bietet ganzjährig bis zu 20 Standplätze an. Mieter können ihre Oldtimer mit Hilfe einer Hebebühne auch selbst reparieren. Noch lebt Förster vor allem von einer Baufirma. Irgendwann aber will er sich ganz der Oldtimerschmiede und dem "Betreuten Parken" widmen.

Bis vor zwei Jahren war das Fabrikgebäude das Reich des damals 61-jährigen Brennmeisters Heinz Wagner. Der stellte hier Jahr für Jahr um die 2500 Hektoliter Industriealkohol her - als Grundstoff etwa für Pharmazieprodukte. Lange Zeit galt dieses Geschäft angesichts garantierter Abnahmemengen und EU-Subventionen als krisensicher. Als sich aber das Auslaufen des Branntweinmonopols abzeichnete, waren die Tage des Betriebs gezählt. Für Christian Förster ein Glücksfall: "Ich kenne das Gebäude seit 20 Jahren, seit ich von München nach Germering gezogen bin. Und ich habe einen solchen Standort gesucht." Im vergangenen Oktober pachtete er die Brennerei.

Vor gut einer Woche wurde offiziell die Eröffnung von "Classic Automotive"gefeiert. Die Räume wurden dafür umgestaltet zu einem Gesamtkunstwerk. Der auf Hochglanz polierte, bis zur Decke reichende Destillator mit seinen Bullaugen wurde ebenso belassen wie weitere Kessel, Metalltreppen und vorsintflutlich anmutende Schaltpulte. In farbiges Licht getaucht, bilden sie den Rahmen für Fahrzeuge, die das Herz von Automobilliebhabern höher schlagen lassen.

Auf einem Fass thront, wie eine abstrakte Skulptur, eine mächtige Kurbelwelle. An den Wänden zeigen Bilder in Sepia oder Schwarz-Weiß historische Fahrzeuge. Dies hier, so die klare Botschaft, ist keine schnöde Parkgarage und auch keine funktional optimierte Hobbywerkstatt. Dies hier ist Lebensfreude, vielleicht sogar so etwas wie automobile Kultur. "Hier arbeiten soll Spaß machen", erklärt Förster. Und deshalb fügen sich auch der Billardtisch neben der alten Ducati und der Tischkicker ins Bild.

Gar nicht vorzustellen, wie viel Spaß es machen würde, eines der Tore aufzumachen und mit dieser silbrig glänzenden Corvette Stingray, die im Raum neben dem Kesselhaus parkt, eine Spritztour zu machen. Baujahr 1971. 7,4 Liter Hubraum. Pure Kraft - 350 PS. Aber das sonore Bollern und die Leistung sind es ja gar nicht. Es sind diese geschwungenen Kurven, die einen in den Bann schlagen. Dieses luftig wirkende Kleid aus Stahl und Glasfaser, das sich um die Räder schmiegt.

Atemberaubendes Design, oft kopiert, aber nie erreicht - auch wenn ähnlich gestaltete Autos wie der Opel GT aus den Siebzigern selbst längst zu Klassikern geworden sind. Ach, wäre da nicht dieser Durst: An die 25 Liter Sprit auf hundert Kilometer rauschen da schon mal durch die Vergaser. Vielleicht ist es ganz gut, dass der Corvette das Herz amputiert wurde - der Motor wird zurzeit generalüberholt. Eine Versuchung weniger. Die Beschränkung auf den visuellen Genuss lässt sich ohnehin besser mit dem grünen Gewissen vereinbaren.

Germering: Alte SCHNAPSBRENNEREI - 'Betreutes Parken'

Mythos in Schwarz: ein Citroen 11 CV.

(Foto: Johannes Simon)

Vor der Halle steht ein russischer Militärjeep, ein unverwüstlicher Dnjepr 69 mit Stoffverdeck. Und unter dem Holzgebälk tauchen im Dämmerlicht weitere Raritäten auf. Der kantige VW Scirocco wirkt mit seinen 29 Jahren eher wie ein unreifer Enkel. Die Großeltern, die ihn flankieren, sind echte automobile Schwergewichte: Da ist der Ford F 100 Pickup, Baujahr 1956, der Dodge Coronet, Baujahr 1967.

Und ganz hinten im Eck steht ein Chevrolet Fleetline aus den Fünfzigern, mit extrovertiert quellenden Kotflügeln und einer tropfenförmig zulaufendem Fahrgastzelle. Einfach traumhaft, auch wenn bei ihm der Lack buchstäblich ab ist. Absolut fahrbereit ist der Mercedes Sportwagen 450, mit dem Förster selbst bis vor drei Jahren als Beifahrer auf Oldtimer-Rallyes wie der in Monte Carlo unterwegs war.

Auch im Kesselhaus steht ein funktionstüchtiges Gefährt: ein Citroën 11 CV, Baujahr 1954, eines der ersten Serienmodelle mit Vorderradantrieb. Angeblich haben sich im besetzten Frankreich der 1940er-Jahre Gestapo und Résistance mit Vorgängermodellen Verfolgungsjagden geliefert. Wegen seiner guten Fahreigenschaften stand er auch bei Gangstern hoch im Kurs als Fluchtfahrzeug. Der Blick folgt unwillkürlich der langen, schwarzen Motorhaube, die sich seitlich öffnen lässt. Die beiden Scheinwerfer scheinen zu schweben auf Kotflügeln, die sich wie Schwingen über die verchromte Stoßstange breiten.

Ein puristisches Automobil, ohne Plastik elektronische Zündung und andere Heimsuchungen der Moderne. "Der lässt sich noch ordentlich reparieren", sagt Förster. Der Citroën war vor 15 Jahren restauriert worden, dümpelte dann aber acht Jahre in einer Puchheimer Tiefgarage vor sich hin. Die Bremsen saßen fest, Anlasser und Lichtmaschine waren kaputt. Förster möbelte das Auto wieder auf und hat nun ein Jahr Zeit, es zu verkaufen. An die 14 000 Euro sollte es schon einbringen.

"Vielleicht kaufe ich ihn am Ende aber selbst", sagt er und zuckt fast ein wenig resigniert mit den Achseln. Denn er ist vom Oldtimer-Virus befallen und wird einfach zu oft schwach. Das fing schon vor 20 Jahren an, als der gelernte Fernmeldetechniker diesen alten Ford Ranchero Pickup erwarb - "mein erstes cooles Auto". Das hatte seinen Preis: Förster lag mehr unter dem Ford als er darin saß. Es folgten Ford Capri und Corvette Cabrio. Immer schön ein Oldie nach dem anderen. "Deshalb ist dieses Hobby nicht teuer für mich", so Förster. Er kauft, repariert, fährt, verkauft und kauft wieder.

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