Germering:Aussichtslose Wohnungssuche

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Etwas mehr als hundert Obdachlose bringt die Stadt zurzeit in eigenen und angemieteten Häusern sowie Containern unter. Wer einmal auf der Straße gelandet ist, der ist meist langfristig auf Hilfe angewiesen

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Die Obdachlosigkeit hat in Germering rapide zugenommen. Zurzeit werden 103 Obdachlose von der Stadt untergebracht. Platz wäre für 116 Personen. "Wir stoßen da bald wieder an Grenzen", sagt Sozialamtsleiter Martin Rattenberger. Erst im Dezember 2018 ist die Anlage für Obdachlose an der Schmiedstraße von vier auf acht Container erweitert worden. Die Stadt bringt die Betroffenen inzwischen in 19 Unterkünften unter. Einmal obdachlos geworden, finden die Menschen kaum noch eine Wohnung eines privaten Vermieters.

Rattenberger ist seit vier Jahren im Amt und hat das Ansteigen der Obdachlosenzahlen in der Großen Kreisstadt mit verfolgt. "Als ich in Germering angefangen habe, waren es 30". Inzwischen gibt es bei der Stadt mit Tanja Gande eine Mitarbeiterin, die sich um diesen Bereich kümmert.

Die Gründe für Obdachlosigkeit sind vielfältig. Arbeitslosigkeit, Krankheit, familiäre Probleme oder Schulden können dafür verantwortlich sein. "Wir weisen die Personen ein", erläutert Rattenberger, "es besteht kein Mietverhältnis der Obdachlosen mit der Stadt." Was die Unterbringung eines Obdachlosen der Stadt kostet, hat das Sozialamt exakt ausgerechnet. Es sind momentan 16,73 Euro pro Tag und Bettenplatz inklusive aller Nebenkosten. Rattenberger: "Da sind auch alle Personalkosten mit eingerechnet." Die Tendenz gehe dahin, dass die Menschen dort immer länger bleiben.

SPD-Stadtrat und Dritter Bürgermeister Helmut Ankenbrand erkundigte sich danach, wer die etwa monatlich 480 Euro Bettenplatzgeld bezahlt. "Wir haben einen ganz geringen Anteil Selbstzahler", klärte Rattenberger auf. In der Regel bezahlt das Jobcenter für Hartz IV-Bezieher oder das Sozialamt die Unterbringung. "Es gibt keine zeitliche Begrenzung, und wir schmeißen auch niemanden nach vielleicht drei Monaten heraus", bekräftigt der Chef des Rathausamts fünf. Manche Menschen wohnen auch mehrere Jahre in der Unterkunft. Neben der Containeranlage dienen auch zehn städtische Wohnungen als Obdachlosenunterkünfte. Vier weitere Wohnungen und vier freistehende Häuser hat die Stadt zusätzlich angemietet. Wenn es gut läuft, können die Obdachlosen in eine frei werdende Sozialwohnung der Stadt einziehen. Doch das passiert eher selten. Privatleute vermieten fast gar nicht an Menschen, die aus einer Obdachlosenunterkunft ausziehen wollen, auch wenn sie wieder Arbeit haben und die Wohnung aus eigener Tasche bezahlen können. Hier ist das Misstrauen zu groß.

Bei der Diskussion einer neunseitigen Benutzungs- und Gebührensatzung für die Germeringer Obdachlosenunterkünfte im Sozial- und Jugendausschuss bekräftigte Oberbürgermeister Andreas Haas (CSU), dass es nicht Ziel sei, Unterkünfte besonders gemütlich zu machen. "Es soll kein Anreiz da sein, ständig dort zu bleiben", so der OB. "Wir helfen aus einer Notlage zur Abwendung einer Gefahr." Deshalb wird in der Satzung unter 21 Punkten aufgeführt, was alles verboten ist und zu einer Beendigung der Unterbringung in der Obdachlosenunterkunft führen kann. So ist etwa untersagt, eigene Möbel aufzustellen, Parabolantennen anzubringen, Elektrogeräte ohne schriftliche Einwilligung der Stadt zu installieren, fremde Personen nachts zu beherbergen oder Hausmüll abseits der Müllcontainer zu lagern.

"Wir schicken auch keine Putzfrau in die Unterkünfte, putzen müssen die Bewohner dort selbst", erläuterte Rattenberger, der auf Nachfrage von Barbara Hagmann (Grüne) bestätigte, dass auch zwölf bis 14 Kinder jeden Alters in den Unterkünften wohnen. Grünen-Stadträtin Sophie Schumacher sprach sich für eine hauptamtliche Betreuung der Obdachlosen beim "Ämtergehen" aus. Ein Lob für die Betreuung der Obdachlosen durch die Stadt bekam das Sozialamt von Fereschteh Erschadi-Zimmermann (SPD): "Ich habe selbst drei Menschen immer wieder begleitet, es ist toll, wie das Amt fünf handelt."

© SZ vom 15.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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