Süddeutsche Zeitung

Gericht:Freispruch in Prozess wegen Kinderpornos

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Das Hochladen eines Bildes kann einem jungen Mann aus dem westlichen Landkreis am Ende nicht zugeordnet werden

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Wer hat das kinderpornografische Bild ins Netz gestellt? Diese Frage kann bei der Verhandlung gegen einen 27-Jährigen aus dem westlichen Landkreis nicht geklärt werden. Ein Richter am Amtsgericht Fürstenfeldbruck spricht den jungen Mann "trotz erheblicher Beweismomente" am Ende der Verhandlung aus Mangel an Beweisen frei, da letztlich auch andere Personen für das Verbreiten und den Besitze kinderpornografischer Schriften in Frage kommen.

Das Bild wurde am 23. November 2017 von der IP-Adresse jener Wohnung hochgeladen, wo der Angeklagte damals lebte, und zwar bei seinen Eltern und seiner Schwester. Diesen strafbaren Vorgang meldete am Tag darauf eine US-amerikanische Institution der deutschen Kriminalpolizei; die Einrichtung ist dazu eingerichtet worden, die Verbreitung von derartigen Bildern und Filmen zu unterbinden. Deshalb gibt sie relevante Informationen sofort an ausländische Behörden weiter. Darüber hinaus fand man auf dem Handy des Angeklagten ein Bild in ganz ähnlichem Stil, das allerdings bereits gelöscht worden war.

"Mein Mandant bestreitet das massiv", beginnt der Verteidiger. "Er hatte das Handy in der tatrelevanten Zeit verliehen." Ergänzend beantwortet der etwas unsicher wirkende Angeklagte - er verhaspelt sich öfter beim Sprechen, spielt mit seinen Händen - die vielen Fragen des Richters. Er habe es vier, fünf Wochen einem Freund geliehen, den er vom Internat kenne und den er

zur Übergabe in Aubing getroffen habe. Mit einem Zeugen, einem weiteren Internatsschüler. Beide sind aber laut dem 27-Jährigen derzeit nicht in Deutschland. "Hat Sie das nicht gestört, dass Ihr Freund Zugang zu Ihrer gesamten Kommunikation hatte", setzt der Staatsanwalt die detaillierte Befragung fort. Er erkundigt sich etwa, ob der Angeklagte einen Handyvertrag oder eine Prepaid-Karte hatte und wie viel Guthaben sich noch darauf befand. Der hat auf jede Frage eine Antwort, und alle wirken stimmig. Wie er darlegt, benutzte er in dieser Zeit das Handy seiner Schwester, jedoch nur zum Telefonieren; ins Netz sei er nur Zuhause mit dem Pad gegangen. "Ich glaube das nicht", kommentiert der Vorsitzende Martin Ramsauer, "noch dazu in Ihrem Alter".

Der damals ermittelnde Kriminalbeamte berichtet, dass er die Wohnungsdurchsuchung bewusst auf alle Familienmitglieder ausgeweitet hatte und extra einen Zeitpunkt gewählt, zu dem der Angeklagte wegen eines anderen Verfahrens in Haft saß. Denn wie schließlich bekannt wird, ist der 27-Jährige schon einschlägig vorbestraft; sein Verteidiger betont, dass er lediglich den Einspruch gegen den Strafbefehl "verbaselt" hatte. Jedenfalls wurden bei der Durchsuchung alle digitalen Geräte mitgenommen und untersucht. "Etwas erstaunt war ich von den Wohnverhältnissen", fügt der Zeuge noch an, "ein Saustall von vorne bis hinten". Diesen Fakt nutzt der Verteidiger, um das Verbummeln des Einspruchs gegen den Strafbefehl zu relativieren.

Die Untersuchung der digitalen Geräte durch einen Sachverständigen hatte ergeben, dass lediglich auf einem Laptop sowie auf dem Handy Spuren der beiden illegalen Bilder gefunden wurden, die übrigen Geräte waren sauber. "Es konnte nicht mehr zugeordnet worden, woher das Bild kam", auch der Zeitpunkt sei völlig unklar, berichtet der Sachverständige.

Für den Staatsanwalt ist die Schuld des 27-Jährigen somit bewiesen. Da das Hochladen in der Wohnung passiert war und alle anderen Familienmitglieder als Schuldige auszuschließen seien, bleibe nur der Angeklagte übrig. Er beantragt eine sechsmonatige Bewährungsstrafe und 2000 Euro Geldauflage. "Wir haben hier zwei männliche Bewohner", kontert der Verteidiger. Er sehe keinen Grund, den Vater als Täter kategorisch auszuschließen. "Eigentlich wissen wir gar nichts", lautet sein Resümee; er fordert einen Freispruch. Dieser Ansicht folgt auch der Vorsitzende. Er sehe keinen Grund, warum allein der Angeklagte als Täter infrage komme und nicht auch mindestens noch der Vater sowie Gäste der Familienmitglieder. "Die Einlassung, ein anderer hätte das hochgeladen, ist nicht zu widerlegen."

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SZ vom 11.01.2019
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