Gericht:Busfahrer wird verurteilt

58-Jähriger hat Mädchen im Intimbereich berührt

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Am Anfang ist es nur ein Spiel: Das siebenjährige Mädchen und der Schulbusfahrer kitzeln sich gegenseitig während der Fahrt am Oberschenkel. Doch eines Abends klagt die Schülerin über Schmerzen im Intimbereich, offenbar verursacht von dem Busfahrer. Nun ist der Vorfall vor dem Jugendgericht gelandet. Mit dem Ergebnis, dass die Brucker Jugendrichterin den 58 Jahre alten Mann aus Augsburg zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Ebenso wie der Staatsanwalt hegt die Vorsitzende am Ende der Verhandlung keinerlei Zweifel mehr daran, dass der bis dahin unbescholtene Mann das Mädchen mit dem eingeschränkten Hörvermögen aus einer sexuellen Motivation heraus berührt hat. Sie spricht ihn am Dienstag wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern und Körperverletzung schuldig. Der Verteidiger forderte indes einen Freispruch. Nach seiner Argumentation war der Griff zwischen die Beine bloß ein Versehen im Rahmen eines Spiels zwischen den beiden.

Die Anklage wirft dem nicht vorbestraften Augsburger vor, bei einer Fahrt im Februar 2016 von der Schule in München, einem Förderzentrum für Hörgeschädigte, zur elterlichen Wohnung in einer Kommune im östlichen Landkreis übergriffig geworden zu sein. Er habe dem damals sieben Jahre alten Mädchen kurz in den Intimbereich gefasst. Und sie dabei mit seinen Fingernägeln verletzt.

Bevor Richterin Anna Kappenschneider mit dem Prozess fortfährt und in die Beweisaufnahme eintritt, gibt sie dem Angeklagten Gelegenheit, seinen Einspruch auf den Strafbefehl zu überdenken. Dieser sieht eine Geldstrafe in Höhe von 8400 Euro vor. So günstig komme er im Falle einer Verurteilung nicht davon, sagt die Richterin. Doch der Angeklagte bleibt bei seinem Widerspruch; er wolle freigesprochen werden, sagt er und fügt hinzu: "Sie hat mir am Fuß rumgetatscht, dann hab ich ihr am Fuß rumgetatscht und das war's", erzählt der Augsburger, dessen Frau die Verhandlung verfolgt. Auf Nachfrage der Richterin zeigt der 58-Jährige auf die obere Hälfte seines Oberschenkels und zwickt leicht hinein. Wie sich herausstellt, spielten die beiden offenbar öfter dieses Spiel, bei dem das Mädchen kichern musste, weil es das Zwicken als Kitzeln empfand. "Ich habe ihr gesagt, dass sie das sein lassen soll", beteuert der Angeklagte. Darüber hinaus unterstreicht er, dass er ihr niemals aus einem sexuellen Verlangen heraus zwischen die Beine gefasst habe.

Die Aussage der inzwischen Achtjährigen vor der Untersuchungsrichterin wurde aufgezeichnet und wird nun im Gerichtssaal gezeigt. Eng an ihre Mama geschmiegt, deutet das Mädchen fast mehr als es berichtet. Die Aussage ist klar: Sie zeigt das Zwicken in den Oberschenkel, dann ein kurzes Anfassen zwischen den Beinen. Mit den Fragen der Richterin nach der Dauer des Griffs und danach, ob der Angeklagte vielleicht aus Versehen dorthin gegriffen haben könnte, ist das Mädchen offenbar überfordert.

Der Vater der Achtjährigen hatte noch am selben Abend von dem Vorfall erfahren. Seine Tochter habe über Schmerzen im Schritt geklagt, berichtet er in der Verhandlung. Er schickte sie zur Oma - die Mutter war verreist. Ihr erzählte das Mädchen von dem "Griff in den Schritt". Ebenso wie die Schulpsychologin hatten auch die Verwandten nicht den Eindruck, dass der Vorfall das Mädchen belastet. Erstere schildert ihr Gespräch mit dem Kind als sehr unbefangen. "Am Ende kam dann raus, beim Kitzeln hat er ihr in den Schritt gefasst." Einer Polizistin gegenüber hatte die Schülerin geäußert, dass der folgenschwere Griff "vielleicht ein Versehen" war, da der Angeklagte in dem Moment auf die Straße geschaut hatte.

Für Staatsanwalt wie Vorsitzende Richterin steht die Schuld des Angeklagten nach diesen Aussagen zweifelsfrei fest. "Es ist hier ganz wichtig zu sehen, dass sie den Busfahrer mochte", resümiert der Ankläger. Ohne die Schmerzen wäre der Fall vermutlich nie aufgekommen. Er beantragt zehn Monate Haft zur Bewährung, die Richterin verhängt acht Monate und 2500 Euro Geldauflage. Schon allein das Kitzeln gehe für einen Busfahrer zu weit, rügt sie. Für den Verteidiger hat die Verhandlung indes nur bewiesen, "dass er sie berührt hat im Rahmen des Zwickens in den Oberschenkel". Ob das aus Versehen oder absichtlich geschah, sei unklar, sagt er und fordert einen Freispruch. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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