Gericht:Anwalt nennt Richter Rassisten

75-Jähriger muss 5400 Euro wegen Beleidigung zahlen

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Richter machen sich nicht immer beliebt. Das bringt der Beruf unweigerlich mit sich. Dennoch müssen sie sich nicht alles gefallen lassen. Als ein Verteidiger in einer Verhandlungspause vor dem Gerichtssaal zu seiner Mandantin laut vernehmlich sagte, der Vorsitzende sei ein Rassist, brachte das dem 75-Jährigen zunächst eine Anzeige wegen Beleidigung, dann einen Strafbefehl über 36 000 Euro und nun, da er den nicht akzeptierte, eine Gerichtsverhandlung ein. An deren Ende entschuldigte er sich, beschränkte seinen Einspruch auf das Strafmaß und muss nun 5400 Euro Strafe zahlen.

Der 75-Jährige, der sich von einem Anwalt etwa gleichen Alters verteidigen ließ, sagte zunächst nichts zu den Vorwürfen. Doch ein Polizist, der damals nach eigenen Angaben zwei Meter vom Angeklagten entfernt gesessen hatte, konnte sich "noch genau daran erinnern". Der Jurist habe zu seiner Mandantin gesagt, "der Richter ist ein Rassist", bestätigte er den Vorwurf aus dem Strafbefehl. Und berichtete weiter, dass der Angeklagte auch von "Nazis, Drittem Reich und Hitler" gesprochen habe. Letzteres hatten auch zwei weitere Zeugen gehört, wie sie nun in der Verhandlung bestätigten; die Beleidigung indes nicht. Ihrer Schilderung nach hatten sie aber auch nur einen Teil der Unterhaltung mitbekommen.

"Ich war gezwungen, Anzeige zu erstatten", erklärt der derart titulierte Richter. "Diese Äußerung beeinträchtigt mich in meinem Berufsethos." Der Verteidiger versuchte wiederholt, ihn dahingehend zu befragen, dass seine Verhandlungsführung seinerzeit nicht korrekt war. Doch der Zeuge hat keine detaillierte Erinnerung mehr daran, so dass diese zeitaufwendige Strategie nach der fünften Wiederholung vom Vorsitzenden Martin Ramsauer unterbunden wurde. In der Verhandlung vor knapp zwei Jahren war eine Frau wegen des Erschleichens von Aufenthaltstiteln angeklagt gewesen.

Auch ihr damaliger Dolmetscher war zur jetzigen Verhandlung geladen. Er beharrte darauf, seinerzeit die ganze Unterhaltung gehört zu haben - nicht aber die bereits von den anderen Zeugen bestätigten Aussprüche, geschweige denn die angeklagte Beleidigung. Der Staatsanwalt fragte mehrfach nach, verwies auf die anderen Zeugen, auf die Gefahr einer uneidlichen Falschaussage. Doch der Dolmetscher blieb dabei: Der Angeklagte habe nichts dergleichen gesagt. Also ließ der Staatsanwalt den verdutzten Zeugen vorläufig durch zwei Justizbeamte festnehmen.

Dieses drastische Manöver veranlasste wiederum den Angeklagten, doch eine Aussage zu machen. Da der Mann seiner damaligen Mandantin die Lage partout nicht begreiflich machen konnte und völlig unrealistisch einen Freispruch erkämpfen sollte, habe er drastische Worte benutzen müssen, auch die ihm zur Last gelegten. Nur so habe er ihr die Ausweglosigkeit verdeutlichen können. "Es ging mir nicht darum, den Richter zu beleidigen", versicherte er und entschuldigte sich. Mit dieser Aussage konfrontiert, schwächte auch der wieder in den Saal geführte Dolmetscher seine Einlassung ab. Er könne sich nicht mehr so genau erinnern, sagte er. Damit war der Staatsanwalt zufrieden und entließ den Dolmetscher wieder.

Er einigte sich in einem sogenannten Rechtsgespräch schließlich mit dem Verteidiger auf ein Strafmaß. "Auch mir erscheint die Geldstrafe angemessen", sagte der Vorsitzende Richter am Ende des Verfahrens.

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