Gerda Hasselfeldt:Die Chefin geht

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Die Chefin der CSU-Landesgruppe in Berlin und Abgeordnete des Wahlkreises Fürstenfeldbruck/Dachau, Gerda Hasselfeldt (r.), 2013 im Maisacher Festzelt. (Foto: Johannes Simon)

In fast 30 Jahren hat die Wahlkreisabgeordnete Gerda Hasselfeldt den CSU-Kreisverband gezähmt und zu einem Instrument der Machterhaltung geformt. Ihr Rückzug wird die Christsozialen im Kreis verändern

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Der von Gerda Hasselfeldt in einer sehr emotionalen Rede in dieser Woche angekündigte Rückzug aus der Politik 2017 zieht für den CSU-Kreisverband mehr als das nach sich, was man normalerweise mit dem Verlust einer Führungsperson verbindet. Die CSU-Landesgruppenchefin prägt seit fast drei Jahrzehnten als unangefochtene Identifikationsfigur den Kreisverband und formte ihn zu dem, was er ist: ein reibungslos funktionierender Apparat, der der Partei sowie den Abgeordneten und Spitzenpolitikern im Landkreis den Machterhalt sichert.

Da spätestens mit Hasselfeldts Rückzug dieses System sein tragendes Fundament verliert, steht der CSU-Kreisverband vor spannenden Zeiten. Zumal in zwei Jahren mit dem Rückzug des Landtagsvizepräsidenten Reinhold Bocklet die zweite tragende, nicht ganz so dominante Säule wegbricht. Zudem hat sich die Flüchtlingskrise zu einer Krise von CSU und CDU entwickelt, die sich aneinander aufarbeiten und schmerzhafte Verluste an Wählerstimmen befürchten. Und im CSU-Kreisverband ist niemand in Sicht, der die Lücken, die Hasselfeldt und Bocklet hinterlassen werden, füllen könnten. Weshalb der Kreisvorsitzende und Landrat Thomas Karmasin in dieser Woche schon mal einräumte, dass die Wahlergebnisse des Hasselfeldt-Nachfolgers oder ihrer Nachfolgerin weit von gewohnten Erfolgen entfernt liegen werden. 2013 erhielt Hasselfeldt in ihrem städtisch geprägten Wahlkreis fast 56 Prozent der Stimmen. Das ist sehr beachtlich.

Ob und inwiefern Hasselfeldt als Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel unter dem Dauerkonflikt zwischen der CSU und der CDU leidet und welchen Anteil dieses Spannungsfeld zwischen München und Berlin an ihrem Rückzug hat, bleibt ihr Geheimnis. Es gehört zu ihrem Erfolg und ihrem Selbstverständnis, nie sich selbst oder ihr Befinden zu thematisieren. Die Parteilinie ist das Gesetz, dem sie sich unterordnet und gegen das sie zumindest nicht in der Öffentlichkeit aufbegehrt. Stattdessen tut sie, was man von der CSU in Krisen kennt: Sie beschwört den Zusammenhalt.

Diese absolute Loyalität zur Partei und zu ihrer Führungsspitze kann die 65-Jährige mal sehr charmant, wenn es darauf ankommt aber auch mal hart und rigoros von denjenigen einfordern, die in der Kreis-CSU den Ton angeben wollen. Nach diesem, ihrem Selbstverständnis führte und formte sie den CSU-Kreisverband. Um zu verstehen, was das bedeutet, muss man zum Ausgangspunkt zurückkehren. Also zu der Lage, in der sich die Kreis-CSU befand, als 1989 der damalige Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Manfred Hölzl einen Coup landete und die junge, aufstrebende Wohnungsbauministerin aus dem Kabinett von Helmut Kohl als Nachfolgerin des Gröbenzeller Bundestagsabgeordneten Eicke Götz vorstellte.

Hasselfeldt, 1987 als Franz Josef Strauß' Nachrückerin in den Bundestag gelangt, suchte zur Absicherung ihres Mandats einen eigenen Wahlkreis. Hölzl wiederum lag im Dauerclinch mit dem Brucker CSU-Bürgermeister Max Steer und CSU-Landrat Gottfried Grimm. Er hoffte, mit einer Bundesministerin auf seiner Seite seine Machtposition zu festigen.

Hasselfeldt war im Landkreis völlig unbekannt und in keine der CSU-Seilschaften und internen Zirkel eingebunden und wirkte deshalb bei allem ministeriellen Glanz, den sie verbreitete, zuerst einmal wie ein unerwünschter Störfaktor und Fremdkörper. Schließlich hatten sich in den beiden Landkreisen bereits aufstrebende Kommunalpolitiker positioniert, denen die Bundespolitikerin aus dem Bayrischen Wald die Tour vermasseln sollte. Intrigen gab es also auf allen Seiten.

Zudem war die Kreis-CSU damals noch nicht so handzahm wie jetzt, sondern selbstbewusst, streitbar und in zwei Lager mit wechselnder Anhängerschaft gespalten. Es dauerte einige Zeit, bis Hasselfeldt, die von 1995 bis 2005 CSU-Kreisvorsitzende war, diesen unberechenbaren Haufen befriedet hatte. Wie die CSU damals funktionierte, sei an zwei Beispielen erläutert. Im Brucker Stadtrat saßen die ärgsten Widersacher von Bürgermeister Steer in der eigenen CSU-Fraktion. Der größte Gegner des Landwirtschaftsministers Reinhold Bocklet hieß Ludwig Dinkel und gehörte ebenfalls der Kreis-CSU an. Und dieser, der Kreisvorsitzende des Bauernverbands und spätere Bauerpräsident von Oberbayern, forderte fast schon gebetsmühlenartig bei jeder Gelegenheit Bocklets Rücktritt.

Hasselfeldt wollte solche Zustände verändern. Schließlich erlebte die Landkreis-CSU fast parallel zum Wahlsieg ihrer neuen Wahlkreisabgeordneten ein politisches Erdbeben. Die CSU verlor bei der Kommunalwahl 1990 das Landratsamt und die Kreisstadt an zwei zuvor politisch kaum präsente SPD-Frauen. Der Landkreis sorgte für Furore, weil die SPD im CSU-Stammland plötzlich eine Landrätin, eine über die Liste gewählte Bundestagsabgeordnete , die Bürgermeisterin der Kreisstadt und dazu noch Landtagsabgeordnete stellte.

Den CSU-Kreisverband, der unter Wolfgang Waldner früher eigenständig agierte, der sich als Impulsgeber für Kreispolitik und CSU verstand, richtete Hasselfeldt völlig neu aus und zähmte ihn vor allem. Aus einem Korrektiv und Gegengewicht zu selbstherrlichen Amtsträgern der eigenen Partei, die folgenlos öffentlich kritisiert werden durften, wurde nach und nach vor allem ein Sprachrohr der Partei, das den Mitgliedern die Linie vorgibt. Aus Hasselfeldts Sicht war das konsequent: So sicherte sie sich ihre Gefolgschaft, auch für ihre Wiederwahlen und konnte unangefochten von der Basis weiter regieren. In so einem Umfeld haben Kritiker und Andersdenkende keine Chance, politisch hochzukommen, da man sich lästige Konkurrenten vom Leib hält. Davon profitierten nicht nur die Mächtigen der CSU im Landkreis. Die Bürgermeister und auch Landrat Thomas Karmasin konnten sich ja immer der Unterstützung einflussreicher Abgeordneter und Kabinettsmitglieder sicher sein. Davon profitierten letztlich auch der Landkreis und die Menschen, die hier leben. Nun könnte sich die Schattenseite des Systems zeigen. Da weder Landrat Thomas Karmasin, ein Zögling Hasselfeldts, noch starke Bürgermeister wie der Germeringer OB Andreas Haas oder der Maisacher Hans Seidl nach Berlin wechseln wollen, räumt man selbst im Kreisverband ein, dass die CSU zwar über junge, vielsprechende Nachwuchskräfte verfügt. Aber was fehlt, sind die junge Frau oder der junge Mann, der oder dem die Kreis-CSU es zutraut, Hasselfeldts Erbe anzutreten. Auch Kreisrätin als Kronprinzessin gehandelte Katrin Mair müsste in die neue Rolle hineinwachsen.

© SZ vom 09.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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