Gedenken in Biburg:Eine Kapelle für die Gefallenen

Gedenken in Biburg: Renoviert worden ist die Krieger-Kapelle in Biburg.

Renoviert worden ist die Krieger-Kapelle in Biburg.

(Foto: Günther Reger)

Während viele Dörfer ihren "Helden" nach dem Ersten Weltkrieg martialische Kriegerdenkmäler widmeten, wählte der Gemeinderat von Biburg 1921 mit Bedacht ein sakrales Bauwerk, das jetzt restauriert worden ist

Von Peter Bierl, Biburg

In fast allen Dörfern sind nach dem Ersten Weltkrieg Denkmäler errichtet worden, die an die gefallenen Soldaten erinnern sollten. Die Ursprünge dieser Form des Gedenkens gehen auf den deutsch-französischen Krieg von 1870/71 zurück. Danach entstanden die Krieger- und Soldatenvereine und viele Gemeinden im Landkreis errichteten Gedenkstätten, die christlich geprägt waren und ohne militaristisches Brimborium auskamen. Diese Anlagen wurden in die Denkmäler integriert, die nach dem Ersten Weltkrieg entstanden und deutlich martialischer ausfielen, ausstaffiert mit Eisernem Kreuz und Stahlhelm, wie in Wildenroth (Gemeinde Grafrath), samt der heroisierenden Inschrift "Viel Feind, viel Ehr". Die meisten dieser Denkmäler im Landkreis entstanden 1921 und 1922 mitten in der krisenhaften Anfangszeit der Weimarer Republik,zwischen Kapp- und Hitlerputsch. Manchmal griffen vorgesetzte Behörden ein, die sich etwa an dem überlebensgroßen Stahlhelm störten, der in Landsberied geplant wurde. Es gibt Ausnahmen.

In Puchheim-Ort verzichtete der Architekt bewusst auf eine kriegerische Ästhetik. Dort sollte die Plastik einer Frau an die Entbehrungen der Bäuerinnen erinnern. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dort eine Würdigung ergänzt, die den faschistischen Eroberungskrieg verherrlichte: "Helden gefallen im Ringen / um Deutschlands Ehre und Sein". Dieser Spruch stellt die ursprüngliche Intention auf den Kopf.

Weitere Ausnahmen sind der neubarocke Brunnen in Bruck, den der Münchner Architekt Franz Hoser schuf, oder die kleine Kapelle in Schöngeising an der Amperbrücke mit kleinen Tafeln, auf denen Namen, Todestag und Sterbeort vermerkt sind. Niemand ging jedoch soweit, ein antimilitaristisches Denkmal zu schaffen, die Mehrheit blieb obrigkeitshörig und patriotisch und lernte nichts aus dem Gemetzel.

Gedenken in Biburg: Die Kapelle in Biburg ist renoviert und wird am Samstag erneut eingeweiht

Die Kapelle in Biburg ist renoviert und wird am Samstag erneut eingeweiht

(Foto: Günther Reger)

Im Biburger Gemeinderat war das Gedenken offensichtlich mit gemischten Gefühlen verbunden, denn das Gremium entschied sich im Februar 1921 bewusst zur "Erbauung einer Kriegergedächtniskapelle an Stelle eines Kriegerdenkmals". Architektonisch prägend wurde der sakrale Charakter, auch wenn das kleine Gebäude im Ort allgemein Kriegerdenkmal genannt wird, wie Ortschronist Rupert Ludwig erzählt. Er hat die Geschichte dieses Denkmals recherchiert, dazu mit der Kamera die Renovierungsarbeiten festgehalten und daraus einen sehr gelungenen Film gestaltet, der bei der Einweihung am Samstag gezeigt wird.

Demnach beauftragte der Gemeinderat seinerzeit den Pasinger Architekten Hans Brühl, die Pläne zu entwerfen, die erhalten geblieben sind. Dabei gab es unterschiedliche Vorstellungen, Brühl favorisierte ein Schindeldach, der Gemeinderat setzte Biberschwänze durch. Im Juli reichte der Architekt eine letzte Tektur ein, dann begann der Bau in der Mitte des Dorfes auf einer Anhöhe auf einem privaten Grundstück. In der Nähe befanden sich Kirche, Maibaum, Dorflinde und Dorfwirt. Zur Wahl des Standorts mag beigetragen haben, dass nebenan eine sogenannte Kaisereiche stand, die 1871 anlässlich des gewonnen Krieges gegen Frankreich gepflanzt worden war, erzählt Ludwig. Am 30. Oktober 1921 wurde die Kapelle in Biburg jedenfalls eingeweiht.

Kriegerdenkmal Puchheim

Die Plastik einer Frau gemahnt in Puchheim an die Entbehrungen im Krieg.

(Foto: Privat)

Anfangs befand sich in der Mitte des Raumes ein stilisiertes Kriegergrab mit Birkenkreuz und Stahlhelm wie auf dem Schlachtfeld, an der Holzdecke war ein Sternenhimmel aufgemalt. Wann das Grab verschwand, ist nicht bekannt. Zur Fahnenweihe 1957 bekam die Anlage eine Mauer und ein zweiflügliges schmiedeeisernes Tor auf der Vorderseite und einen Holzzaun an den anderen Seiten. Der Aufgang zur Anhöhe wurde mit einer Steintreppe versehen.

Vorne auf der Giebelseite findet sich ein für die Zeit ungewöhnlicher Spruch. "Eine größere Liebe hat niemand, als daß er sein Leben gibt für seine Freunde", heißt es auf der Tafel. "Heute würde man was anderes schreiben, aber der Spruch seht unter Denkmalschutz und ist heute mehr denn je als Mahnung zum Frieden zu verstehen", sagt Ludwig.

Die Soldaten starben für Kaiser und König, Großgrundbesitzer und Schlotbarone, aber nicht für ihre Freunde, aber immerhin steht da kein Wort von Helden oder Vaterland. Erst im Inneren der Kapelle finden sich solche typischen Elemente des Gedenkens. An der Stirnseite hängt eine Tafel für die 19 Gefallenen des Ersten Weltkrieges. "Auf dem Felde der Ehre sind fürs Vaterland gefallen", heißt die Überschrift. An der Wand rechts wurde eine Tafel mit kleinen Fotos der Toten aufgehängt. Insgesamt zogen aus dem kleinen Dorf damals 49 Männer in den Krieg.

Gedenken in Biburg: Der Brunnen in Bruck erinnert an die Gefallenen.

Der Brunnen in Bruck erinnert an die Gefallenen.

(Foto: Günther Reger)

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde links eine Tafel für 30 Gefallene und Vermisste, rechts eine Tafel für 17 umgekommene oder verschollene Flüchtlinge ergänzt. Jetzt, nach der Renovierung, findet sich außerdem ein Schild, das an Alois Meir erinnert, der im Krieg von 1870/71 fiel, sowie an Mathias Kandler, der vom Feldzug Napoleons gegen Russland 1812 zurückkehrte, derart von den Strapazen gezeichnet, dass ihn die Biburger nur anhand seine charakteristischen Pfeifens wiedererkannten.

Auf der linken Wand der Kapelle kam eine Tafel mit kleinen Fotos der gefallenen Wehrmachtssoldaten hinzu, die stilistisch dem Pendant gegenüber aus dem Ersten Weltkrieg entspricht. Der obere Teil dieser Tafel besteht aus einer zeitgenössischen Darstellung mit der Inschrift "Zur Ehre", darunter hat Ludwig noch mal alle Namen schön leserlich aufgeführt.

Seit Juli 2020 wurde die Kapelle restauriert, es gab schon Feuchtigkeit und Risse im Fußboden und im Mauerwerk, das Dach war undicht, Betonstufen platzten ab. Dabei hat man sich bemüht, den Originalzustand des Gebäudes wieder herzustellen, das inzwischen unter Denkmalschutz steht. Dazu gehörte insbesondere, dass eigentlich unpassende Fliesen, die seit 1982 den Boden bedeckten, entfernt und der Belag, ein Rautenmuster, so rekonstruiert wurde, wie er ursprünglich ausgesehen haben könnte. Ganz genau weiß man es nicht, weil es davon weder Zeichnungen noch Fotos gibt, wie Ludwig berichtet.

Außen wurde die Fassade erneuert, der alte Putz musste abgeschlagen werden. Das Dach wurde neu gedeckt, die Stufen der Steintreppe außen gesäubert und neu gesetzt. Das schmiedeeiserne Eingangstor bekam statt weißer Farbe einen anthrazitfarbenen Anstrich. Organisiert hat die Renovierung der Förderverein Alling, in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalschutz. Die Kriegergedächtniskapelle liegt vielen Dorfbewohnern am Herzen, schon weil es viele Familien gibt, deren Angehörige auf den Tafeln vermerkt sind. Die 67 Gefallenen und Vermissten begreift Ludwig als Mahnung dafür zu sorgen, "dass es keinen Anlass mehr für weitere Gedenktafeln geben sollte".

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