Gedenken:Erinnern als gemeinsame Aufgabe

Am 47. Jahrestag des Olympiaattentats von 1972 wird bei der Gedenkveranstaltung vor dem Fliegerhorst der Wunsch bekräftigt, einen Gedenkort in Fürstenfeldbruck zu schaffen

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Angehörige, Überlebende, Zeitzeugen, Passanten und Vertreter aus Politik, Militär, Polizei und Kirchen haben am 47. Jahrestag des Olympiaattentats von 1972 in Fürstenfeldbruck der zwölf Opfer gedacht. Palästinensische Terroristen hatten während der Olympischen Spiele im Münchner Olympiadorf die israelische Nationalmannschaft überfallen, dort zunächst zwei Sportler ermordet und später bei einem missglückten Befreiungsversuch der bayerischen Polizei auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck neun israelische Geiseln sowie einen Polizeibeamten getötet. Seit 20 Jahren nun lädt der Landkreis zu einer Gedenkveranstaltung an dem vom Gröbenzeller Künstler Hannes L. Götz geschaffenen Denkmal vor der Tor der Fliegerhorstes ein.

"Es braucht Kraft, in einer Welt zu leben, die auch Erinnerungen an Gewaltverbrechen wie diese im Jahr 1972 zulässt. Ich glaube aber, dass sich die Mühe lohnt", schrieb Landrat Thomas Karmasin im Geleitwort zur Errichtung der Gedenkstätte am 5. September 1999. Zwei Jahrzehnte später steht Karmasin wie jedes Jahr wieder am Mikrofon und vor dem Stein mit den geschwungenen Eisenstangen und gedenkt "der jungen Männer, die ohne Vorwarnung so plötzlich und grausam aus dem Leben gerissen wurden". Er nennt, wie auch später die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde für München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, sowie die Generalkonsulin des Staates Israel für Süddeutschland, Sandra Simovich, und Rabbiner Steven Langnas aus München, die Namen der israelischen Opfer und des bayerischen Polizeibeamten. In ihrer Unterkunft in München wurden Yossef Gutfreund und Josef Romano erschossen, in Fürstenfeldbruck starben David Mark Berger, Zeev Friedman, Eliezer Halfin, Amitzur Schapira, Kehat Schorr, Mark Slavin, Andre Spitzer, Yaacov Springer und Moshe Weinberg. Im Schusswechsel mit den Terroristen starb auch der 33 Jahre alte Polizeibeamte Anton Fliegerbauer.

Gedenken: Der jüdischen Tradition folgend legen die Generalkonsulin des Staates Israel, Sandra Simovich (von links) und Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, beschirmt von Landrat Thomas Karmasin, Steine an der Gedenkstätte für die Opfer des Olympiaattentats nieder.

Der jüdischen Tradition folgend legen die Generalkonsulin des Staates Israel, Sandra Simovich (von links) und Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, beschirmt von Landrat Thomas Karmasin, Steine an der Gedenkstätte für die Opfer des Olympiaattentats nieder.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Angehörigen Fliegerbauers hören Charlotte Knobloch, wie sie vom "Schrecken, der bis heute gegenwärtig ist", spricht, und sie vernehmen den Appell der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, es möge endlich ein Gedenkort in Fürstenfeldbruck geschaffen werden. Ein Ort, an dem man "gemeinsam die Erinnerung wachhalten" könne. Sie lobte das Engagement des Landrats und seiner Mitarbeiter und sagte über das seit Längerem vorliegende Konzept: "Es hat jede Unterstützung verdient." Es müsse, betont sie, ein Gedenkort geschaffen werden, "der an das erinnert, was in München begonnen hat und hier sein furchtbares Ende fand". Und Uschi Schmitz, Vizepräsidentin des Deutschen Olympischen Sportbundes, hört Charlotte Knobloch zu, als sie an dieser Stelle ihre Kritik an den Olympia-Organisatoren von 1972 erneuert: "Es war die grundlegend falsche Entscheidung, die Spiele weiterlaufen zu lassen."

Auch Sandra Simovich ist von München nach Fürstenfeldbruck gekommen, um die Werte zu betonen, die Israel und Deutschland, aber im Speziellen Bayern und Israel verbinden. Sie spricht von einer "tragfähigen Partnerschaft" zwischen dem einzigen deutschen Bundesland, das in Israel eine Vertretung unterhält. Dass in Bayern der Landkreis Fürstenfeldbruck Veranstaltungen über das Olympiaattentat und die Folgen organisiere und jedes Jahr der Opfer von 1972 gedenke, "trägt dazu bei, nicht in Vergessenheit zu geraten". Das Attentat, so Simovich, sei "ein Angriff auf die zivilisatorischen Werte" gewesen.

Gedenken: Der evangelische Dekan Markus Ambrosy (von links), Rabbiner Steven Langnas und der katholische Dekan Martin Bickl beim gemeinsamen Gebet vor dem Fliegerhorst.

Der evangelische Dekan Markus Ambrosy (von links), Rabbiner Steven Langnas und der katholische Dekan Martin Bickl beim gemeinsamen Gebet vor dem Fliegerhorst.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Generalkonsulin überbringt ausdrücklich den "Dank im Namen des Staates Israel" für den Landrat und die Organisatoren, und sie wünscht sich dort, wo sie die Worte ausspricht, ebenfalls einen Ort, an dem der Opfer des Attentats nicht nur gedacht wird. "Aus Erinnerung, Kommunikation und Bildung erwächst historisches Bewusstsein", sagt Simovich. In Thomas Karmasins Geleitwort von 1999 findet sich Ähnliches: "Denn die Erinnerung an Terrorakte sind Voraussetzung für aktive Friedensarbeit."

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