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Fürstenfeldbrucks Handballer vor Schicksalsspiel:"Wir glauben auch jetzt noch an ein Happy End"

Lesezeit: 5 min

Der TuS will den Abstieg aus der dritthöchsten deutschen Liga am letzten Spieltag noch verhindern. Trainer Martin Wild erläutert, warum dafür fremde Hilfe notwendig ist, wie viel Spektakel die Wittelsbacher Halle bietet und warum das oft mehr als 1000 Zuschauer sehen wollen.

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Martin Wild ist Sportlehrer. Er hat gerade zwei Freistunden und deshalb Zeit für ein Telefongespräch. 2010 hatte er als Trainer die Handballer des TuS Fürstenfeldbruck übernommen, die damals gerade in die dritte Liga aufgestiegen waren. Zwischenzeitlich stieg das Team wieder ab und im Vorjahr erneut auf. An diesem Samstag wird sich im letzten Saisonspiel gegen den TV Germania Großsachsen (19 Uhr, Wittelsbacher Halle) entscheiden, in welcher Liga es im nächsten Jahr weitergeht. Der 36 Jahre alte Trainer, ein gebürtiger Münchner, ist schon seit 1998 beim TuS Fürstenfeldbruck, war dort viele Jahre herausragender Spieler und hält sich als Handballer nunmehr in der vereinseigenen dritten Mannschaft fit. Während des Telefonats ertönt zwischenzeitlich der Pausengong und Wild muss das Gespräch kurz unterbrechen, um Aufsicht zu führen. Ein Lehrer am Handy, meint er, mache dabei keinen so guten Eindruck. Im Gespräch äußert er sich zum bevorstehenden Finale, zu den Perspektiven seiner Sportart in Fürstenfeldbruck und zum riesigen Publikumsinteresse.

SZ: Herr Wild, mehr Spannung geht nicht: An diesem Wochenende kämpfen die TuS-Handballer um ihre letzte Chance zum Erhalt der dritten Liga und mit ihrer zweiten Mannschaft um den Aufstieg zur Bayernliga. Aus der Zuschauerperspektive betrachtet, ist das zweimal ein richtiger Showdown. Die handelnden Akteure hätten sich vielleicht etwas weniger Nervenkitzel gewünscht, oder?

Martin Wild: Vor der Saison wären wir wohl froh gewesen, wenn jemand vorhergesagt hätte, dass es zu einem solchen Showdown kommt. Wir freuen uns auf Samstag, keine Frage. Das wird noch mal ein großes Handball-Wochenende in Fürstenfeldbruck. Die Halle, denke ich, wird voll sein. Aber klar, man kann sich schönere Szenarien ausmalen. Wir hätten es gerne in der eigenen Hand gehabt. Aber egal, wie es ausgeht, es wird ein gebührender Saisonabschluss werden.

Sie haben es angesprochen: Vor zwei Wochen hatte die Mannschaft den Klassenerhalt noch selbst in der Hand, als sie gleichgezogen hatte mit dem direkten Konkurrenten Rödelsee. Jetzt nicht mehr.

In den letzten beiden Spielen haben wir uns nicht besonders geschickt angestellt. Wir sind beide Male unter unseren Möglichkeiten geblieben, aber man kann das ein Stück weit begründen: Die Saison war sehr kräftezehrend und wir mussten immer ans Limit gehen. Zudem ist eine komplette Rückraumreihe mit Maxi Dück, Maximilian Lentner und Nick Huber fast die ganze Saison ausgefallen. Marcus Hoffmann wurde diese Woche operiert und auch Sebastian Meinzer ist damals ausgefallen, nachdem er gegen Rödelsee 13 Tore geworfen hatte.

Die Mannschaft hat trotzdem viele Herzen erobert, vor allem auch, weil sie so jung ist und trotzdem so famos aufspielt.

Ja. Josy Stumpf zum Beispiel, der jetzt zurecht als Shootingstar gilt, war vor einem Jahr noch ein fast unbeschriebenes Blatt. Auch Falk Kolodziej hat sich super entwickelt oder Sebastian Meinzer oder Korbinian Lex, die beide aus der Landesliga ( zwei Spielklassen tiefer, Anm. d. Red.) gekommen sind. Wenn man die Torhüter ausklammert, liegt das Durchschnittsalter der Mannschaft ja erst bei 22 Jahren.

Für den Klassenerhalt muss der TuS nun gewinnen und der alte Rivale Friedberg gleichzeitig Brucks unmittelbaren Konkurrenten Rödelsee besiegen. Die Friedberger stehen schon als Absteiger fest. Warum sollten die überhaupt noch motiviert sein?

Friedberg hatte fünf oder sechs tolle Jahre in der dritten Liga und jetzt eine schwierige Saison. Ich bin überzeugt, dass sie sich mit einem Sieg aus der Liga verabschieden wollen und dass sie den Ehrgeiz haben, Rödelsee zu bezwingen. Es wäre die Horrorvorstellung, wenn Friedberg uns diesen Gefallen tut und Rödelsee schlägt, aber wir selbst unser Spiel nicht gewinnen.

In Fürstenfeldbruck hat man die Partie zum "Finale dahoam" erklärt. Sie wissen, wie das gleichnamige Champions-League-Endspiel des FC Bayern damals ausging, oder?

Schon klar, dass der Begriff vom Ergebnis her negativ belegt ist, allerdings steht er auch für einen großen Showdown, der bis zum letzten Moment von Emotionen, großem Kampf und Leidenschaft geprägt war. Das passt.

Könnte man die Bezeichnung "Finale dahoam" als Beispiel dafür sehen, wie der TuS versucht, Werbung zu seine Auftritte zu machen?

Die Idee kam von der Mannschaft. Aber ja, ich glaube, in der Saison haben wir einen guten Schritt nach vorne getan, was unsere Außendarstellung oder etwa das Marketing über die sozialen Netzwerke angeht. Wir hatten auch noch das Drittliga-Date ( als vor dem Punktspiel des TuS die Drittliga-Handballerinnen des HCD Gröbenzell in Fürstenfeldbruck gastierten, Anm. d. Red.) und das Spiel gegen Konstanz zum Tag der Münchner Vereine.

Ein Handballspiel in der Wittelsbacher Halle erinnert beinahe schon an ein Spiel in der Bundesliga: Werbeflächen auf dem Hallenboden und eine Werbewand als Hintergrund für die Tr ainerstatements, Musik-Jingles nach jedem Tor, Klatschpappe für die Fans, ein Video über die Mannschaft im Foyer. Ist das inzwischen Standard im hochklassigen Handball?

Die Resonanz gibt uns recht. Wir versuchen uns auch in diesem Bereich an den Drittliga-Standard anzupassen. Wir sind auch da auf einem guten Weg, wenn ich etwa dran denke, wie Bastian Wöller bei unseren Heimspielen Musik macht oder unsere Trommlergruppe für Stimmung sorgt.

Mehrmals sind mehr als 1000 Zuschauer zu den TuS-Spielen gekommen. Wie erklären Sie sich das große Interesse?

Dafür gibt es mehrere Gründe: Wir spielen ja einen sehr attraktiven Handball und haben eine sympathische Mannschaft, die für ihren Fighting-Spirit bekannt ist und immer Hochspannung garantiert. Ob aus Fürstenfeldbruck so viel mehr Zuschauer kommen als früher, bezweifle ich sogar. Viele handballaffine Zuschauer kommen aus dem Umland, weil wir ja auch Spieler haben, die von dort kommen: wie Josy Stumpf aus Ismaning, Meinzer und Lex aus Trudering, wie Falk Kolodziej aus Ebersberg oder Alex Leindl aus Germering. Und alle diese Wechsel zu uns sind sehr vernünftig über die Bühne gegangen. Es ist unsere "Strategie", uns auch als Münchner Projekt darzustellen.

Warum tut sich der Großraum München so schwer damit, Handball in hohen Ligen auf Dauer zu positionieren? Seit 1994 gibt es hier keinen Bundesligisten mehr.

So Gedankenspiele mit Bundesliga in München hört man immer wieder mal, darüber mache ich mir aber relativ wenige Gedanken. Meine Vision ist, dass sich Bruck endgültig in der dritten Liga etabliert.

In und um München, so heißt es, interessiere man sich vor allem für Fußball. Deshalb würden andere Sportarten auch zu wenig finanzielle Unterstützung erhalten. Stimmt das?

Man sollte meinen, dass uns durch den großen Zuschauerzuspruch und das große mediale Interesse die Sponsoren die Tür einrennen. Leider ist das noch nicht so. Das ist ganz sicher ein Bereich, wo wir noch besser werden können und die Tür nicht verschließen sollten. Vielleicht müssen wir ein Stück weit aggressiver und offener auf die Leute zugehen. Wenn wir uns langfristig in der dritten Liga etablieren wollen, müssen wir unseren Etat deutlich erhöhen, um den Spielern eine halbwegs angemessene Aufwandsentschädigung zahlen zu können. Wir müssten dann ja auch den Trainingsumfang noch einmal erhöhen. Wir stehen da ligaweit ganz unten im Ranking. Ich sehe schon Sponsorenpotenzial für Handball in München, denn auch 1000 Zuschauer müssen mittelfristig nicht das Limit sein.

Allein schon aufgrund des großen Publikumsinteresses hätte es der TuS wohl verdient, in der Liga zu bleiben.

Wir hatten vor der Saison ein relativ ambitioniertes Saisonziel von 24 Punkten. Wenn wir am Samstag gewinnen, haben wir das geschafft. Aber vielleicht reicht das eben nicht für den Klassenerhalt. Dabei hätten wir dann zu Hause 19:9 Punkte geholt und vielleicht sogar ein positives Torverhältnis. Aber wir haben auch neun Spiele mit nur einem oder zwei Toren verloren. Oft haben wir sogar kurz vor Schluss noch geführt. Einerseits erfreulich, weil es bedeutet, dass wir fast in jedem Spiel mitgehalten haben. Andererseits aber hilft das am Ende nichts.

Lassen Sie Gedanken an einen möglichen Abstieg überhaupt zu?

Wir haben Gedanken an die Bayernliga ( eine Liga tiefer als die dritte Liga, Anm. d. Red.) die ganze Saison über komplett ausgeblendet und glauben auch jetzt noch an ein Happy End. Wenn uns aber kurz vor dem Gipfelkreuz doch noch die Luft ausgehen sollte, nehmen wir im neuen Jahr einen neuen Anlauf mit neuem Schwung. Wir könnten uns den Umweg ersparen, aber ein Abstieg wäre nicht das Ende aller Drittliga-Hoffnungen. Aber es ist jetzt noch viel zu früh, über so was zu reden.

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SZ vom 09.05.2015
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