Fürstenfeldbruck:Zwischen Patienten und Politik

Der Landkreis möchte seinen Bürgern mit dem Kommunalunternehmen eine wohnortnahe medizinische Versorgung bieten. Schwierigkeiten bereitet in jüngster Zeit vor allen Dingen der Mangel an Pflegekräften. Wegen des Konkurrenzdrucks und politischer Vorgaben hat sich die Einrichtung in den letzten Jahren zunehmend spezialisiert

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Die Kreisklinik in Fürstenfeldbruck hat insgesamt 996 Mitarbeiter, darunter allein 130 Mediziner. Das 380-Bettenhaus gehört dem Landkreis, der als Träger über den Verwaltungsrat auch die Kontrollfunktion wahrnimmt. Auf dreizehn Stationen werden pro Jahr rund 17 000 Patienten behandelt. Der Jahresumsatz liegt zurzeit bei 60 Millionen Euro. Etwa zehn Jahre schrieb das Haus schwarze Zahlen. Man erzielte also Gewinne, die allerdings nicht abgeführt, sondern reinvestiert wurden. In den vergangenen drei Jahren machte das Haus allerdings leichte Defizite. Hier kommt infolge hoher Abschreibungen auch zum Tragen, dass allein in den Jahren von 1999 bis 2013 insgesamt 51 Millionen Euro für die Generalsanierung der Klinik ausgegeben wurden. Von dieser Summe musste die Klinik 24 Millionen Euro an Eigenmitteln aufbringen. Ein Krankenhaus wie das Brucker ist ein komplexer Betrieb, bei dem neben wirtschaftlichen Belangen auch politische Vorgaben, medizinische Fragen und die Interessen der Patienten und der Mitarbeiter zu berücksichtigen sind.

Konsens besteht im Kreistag und unter Kommunalpolitikern über eine Vorgabe: Die Klinik soll nicht privatisiert werden, obwohl das für die Politiker die einfachste Lösung wäre. Der Kreistag hält sich auf diese Weise die Möglichkeit offen, selbst maßgeblich mitzubestimmen, wie und unter welchen Bedingungen die medizinische Grundversorgung an der einzigen Klinik im Landkreis erfolgt. Auch wenn es, was in jedem Krankenhaus gelegentlich der Fall ist, Behandlungsfehler und massive Beschwerden von Patienten gibt, kann sich das Ergebnis sehen lassen. Wenn im Kreistag mal über das Krankenhaus diskutiert wird, geht es meist um die Frage, wie der Pflegenotstand zu lösen ist. Der Mangel an Pflegekräften führte in den vergangenen Jahren immer wieder zur Schließung von Stationen und Betten. Zurzeit können aus diesem Grund von den 380 Betten nur 355 belegt werden. Und die Politiker sind sehr auf den guten Ruf ihrer Klinik bedacht. Deshalb werden öffentliche Debatten über Beschwerden oder Kunstfehler tunlichst vermieden.

Seit dem Abschluss der Generalsanierung vor zwei Jahren präsentiert sich der an der Dachauer Straße gelegene Gebäudekomplex in einem baulich hervorragenden Zustand, der sogar etwas über dem liegt, was Patienten im Durchschnitt in Bayern geboten wird. Um zu überleben und sich auf einem unter medizinischen Gesichtspunkten schwierigen Markt zu behaupten, ist die Klinikleitung gezwungen, mit der allgemeinen Entwicklung im Großraum München mitzuhalten. Und die Entwicklung ging in den vergangenen Jahren vor allem in Richtung Spezialisierung.

Was das bedeutet, lässt sich am Beispiel der Chirurgie erläutern. Diese wurde in drei Bereiche aufgeteilt. Anstelle der früheren Einheitschirurgie gibt es nun jeweils eine Bauchchirurgie, eine Gefäßchirurgie und eine Unfallchirurgie. Darin spiegelt sich wider, dass Behandlungsmethoden immer mehr verfeinert werden und auch die Ausbildungsordnungen in diese Richtung gehen. "Ein Mediziner kann nicht mehr alles beherrschen", stellt Klinikvorstand Stefan Bauer fest. Mit der Konsequenz, dass eine Klinik der Grundversorgung wie die in Fürstenfeldbruck entweder bestimmte Behandlungen nicht mehr anbietet, oder dass sie Spezialisten einstellt. Für Letzteres hat man sich in Fürstenfeldbruck entschieden. Mit der Folge, dass alleine schon für die drei Spezialgebiete der Chirurgie bei speziellen Fragestellungen rund um die Uhr auch drei Hintergrunddienste bereitstehen müssen. Der Aufwand wird also größer.

Ein Spezialgebiet, auf dem Fürstenfeldbruck laut Bauer eine Anlaufstelle für Patienten aus dem gesamten südlichen Oberbayern geworden ist, ist die Neurochirurgie. Hier arbeitet die Klinik mit einer Praxis zusammen, die sich darauf spezialisiert hat, durchtrennte periphere Nervenstränge wieder zusammenzunähen. Eine überregionale Bedeutung kommt der Klinik auch bei der Nachsorge von Patienten nach einer Herztransplantation zu. Das bedingt zwei kardiologische Stationen mit zwei Chefärzten. Einen guten Ruf hat die palliativmedizinische Station, was auch daran liegt, dass auch hier besonders geschulte Pflegekräfte mehr Zeit für ihre Patienten haben, als es normalerweise möglich ist.

Eine Spezialisierung kostet erst einmal Geld. So hat die Kreisklinik in den vergangene Monaten für rund drei Millionen Euro ein neues Zentrum für ambulante Onkologie und Strahlentherapie errichtet. Diese Abteilung soll demnächst in Betrieb gehen. Hinter diesem Projekt steckt die strategische Überlegung, die Behandlung von Krebskranken einschließlich der beiden Fachgebiete Urologie und Gynäkologie umfassender als bisher zu gewährleisten. Neben der Strahlenbehandlung kann die Klinik ihren Patienten künftig in der ambulanten Onkologie zudem auch Infusionstherapien und medikamentöse Behandlungen anbieten. Für Krebspatienten ist das mit dem durchaus positiven Effekt verbunden, dass sie sich künftig bei Strahlenbehandlungen lange Fahrten nach München ganz ersparen.

Gerade im Großraum München kommen Kliniken mit rund 3000 Betten angesichts einer Überversorgung laut Bauer um die Spezialisierung ihrer Angebote nicht mehr herum. Weshalb seit einigen Wochen Belegärzte, die sich auf Eingriffe im Hals-Nasen-Ohrenbereich spezialisiert haben, mit dem Kreiskrankenhaus kooperieren. Sogar Schönheitsoperationen könnten diese Mediziner durchführen. Das Überangebot an Klinikbetten in der Region bringt den Patienten durchaus Vorteile. Sie haben die freie Wahl der Klinik und können sich außer in Notfällen dort behandeln lassen, wo die Spezialisten tätig sind, die ihren Bedürfnissen am besten entsprechen. "Wer sich nicht spezialisiert, bekommt Probleme", urteilt der Klinikvorstand.

Aber auch eine Spezialisierung ist noch keine Garantie dafür, dass die Einnahmen stimmen. Vergütet wird nämlich nach den Fallzahlen, und diese können von Abteilung zu Abteilung und von Jahr zu Jahr stark schwanken. Der Mix zwischen der Schwere der Fälle und der absoluten Zahl der Patienten ist ausschlaggebend dafür, ob eine Klinik schwarze oder rote Zahlen schreibt. Dazu kommen noch bundespolitische Vorgaben. "Der Bund hätte gerne weniger Kliniken", stellt Bauer fest. Zudem sei er bestrebt, dass sich die verbleibenden Kliniken weiter spezialisieren. Es werde versucht, diese Dinge über den Preis der Behandlungen, also die Fallpauschalen, zu regeln. Abgerechnet wird deshalb schon lange nicht mehr nach der Dauer des Klinkaufenthalts, sondern pauschal nach der Art der Erkrankung. Das heißt, nur noch solche Häuser, die Leistungen oft und mit einer gewissen Routine erbringen, sind auf Dauer wirtschaftlich erfolgreich.

Hier stoßen in einer Kreisklinik die letztlich für das Unternehmen Verantwortlichen, also der Landrat Thomas Karmasin (CSU) und die Kreisräte, an ihre Grenzen. Vorgaben könnten sie, ebenso wie der Klinikvorstand, den Chefärzten zur Wahl der Behandlungsmethoden sowieso nicht machen. Die Ärzte handeln autark und eigenverantwortlich. Ansonsten leitet aber Vorstand Bauer das Haus eigenverantwortlich. Er kann bis auf eine Ausnahme Mitarbeiter im Rahmen des vom Verwaltungsrat beschlossenen Wirtschaftsplans einstellen und entlassen oder deren Vergütung festlegen. Die Ausnahme bezieht sich auf die Chefärzte. Bei deren Einstellung bestimmt der mit Landrat Karmasin und acht Kreisräten besetzte Verwaltungsrat der Kreisklinik mit. Ansonsten hat der Verwaltungsrat - hier besteht eine gewisse Analogie zum Aktienrecht - vor allem eine überwachende Funktion. Zudem liegen strategische Entscheidungen in der Zuständigkeit des Verwaltungsrats. So hat er beispielsweise bei der Gründung oder Schließung von Abteilungen ebenso das letzte Wort wie bei allen größeren Investitionen.

Allerdings kann der Vorstand über Investitionen bis zu einer Höhe von 150 000 Euro alleine entscheiden. Da diese Ausgaben in der Regel im Wirtschaftsplan festgelegt werden, über den der Verwaltungsrat entscheidet, sind auch hier der Tätigkeit des Vorstands enge Grenzen gesetzt. Letztlich gibt der Landkreis als Träger die politischen Ziele vor, die bei einem Kommunalunternehmen im Unterschied zu einem Wirtschaftsunternehmen nicht daran ausgerichtet sein können, möglichst hohe Erlöse zu erwirtschaften. Es geht primär darum, für die Landkreisbewohner eine angemessene Versorgung sicherzustellen. Seine Kontrollfunktion nimmt der Verwaltungsrat auch dadurch wahr, dass er kritisch nachfragt und Themen aufarbeiten lässt. Da ausschließlich hinter verschlossenen Türen getagt wird und die Verwaltungsräte zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, geschieht das aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Damit ist es gelungen, die Klinik weitgehend aus den politischen Auseinandersetzungen herauszuhalten.

Mit der 1998 im Kreistag getroffenen Entscheidung aus dem damaligen Regiebetrieb ein Kommunalunternehmen zu machen, war das Ziel verbunden, der Kreisklinik mehr Selbständigkeit und eine moderne, weitgehend unabhängige Führung zu geben. Mit der Eigenständigkeit wurde die Hoffnung verbunden, auch die wirtschaftliche Situation zu verbessern. Ausgangspunkt für die Neuausrichtung war die Befürchtung, die Kreisklinik sei sonst auf Dauer nicht in der Lage, im Großraum im Wettbewerb mit den Münchner Kliniken zu überleben. Zudem hatte im Vorfeld des Kommunalwahlkampfes 1990 ein Klinikskandal das Vertrauen in das Haus erschüttert. Damals geriet Fürstenfeldbruck bundesweit in die Schlagzeilen, weil aus Kostengründen Stationen geschlossen worden waren und Patienten auf Gängen, in Bädern und in Abstellkammern lagen. Damals war die Klinik noch ein Regiebetrieb und die meisten der Unternehmensentscheidungen wurden noch im Kreistag getroffen.

Seit der Umwandlung in ein Kommunalunternehmen konzentrieren sich die Debatten im Kreistag vor allem auf den Wirtschaftsbericht und den bereits erwähnten Mangel an Pflegekräften.

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