Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Zwiespältiges Verhältnis

Lesezeit: 2 min

"Tennenkult" mit Napoleon zwischen Bayern und Europa

Von Klaus Mohr, Fürstenfeldbruck

Würde man behaupten, dass die gut besuchte Veranstaltung "Tennenkult" am Mittwoch in der Tenne des Veranstaltungsforums Fürstenfeld schrill war, würde man der Sache nicht gerecht. Natürlich, eine grüne Geige, wie sie die rothaarige Monika Drasch spielt, fällt aus dem Rahmen. Bildlich gesprochen aber lag über dem Abend eine Spannung, wie sie auch zwischen den beiden Komplementärfarben rot und grün herrscht. Die Veranstaltung war in jedem Fall abwechslungsreich und kurzweilig. Sie zu beschreiben als ernst oder lustig, wäre aber auch nicht zutreffend, weil solche Klassifizierungen zu grob wären. Das Thema des Abends lautete "Napoleon zwischen Bayern und Europa", und mit der Zwiespältigkeit des Verhältnisses der Bayern zu Napoleon hatte es wohl zu tun, dass sich die Veranstaltung zwangsweise einer klaren Einordnung entzog. Mit Monika Drasch, die neben Geige auch Zither spielte und als Sängerin zu hören war, standen der Sänger Klaus Wenk, der Komponist, Pianist und Sänger Moritz Eggert sowie der Hackbrett- und Akkordeonspieler Thomas Gruber auf der Bühne. Textbeiträge lieferte der Autor Gerd Holzheimer.

Im Kern dominierten vielfältige subtile Brechungen im Bereich von Musik und Text: Während die Karikatur eine sehr offensichtliche Form der Überzeichnung ist, erschloss sich der Hintersinn der Darbietungen hier oft erst beim genauen Hinhören. Da wurde das Ohr mal auf eine überzogen hervorgehobene Basswendung im Klavier gelenkt, um den Textinhalt geschickt zu persiflieren. Oder es wurden die Hackbretttöne in einem Zwischenspiel klanglich an E-Gitarren angenähert, um musikalisch die Aktualität einer Situation, die stilistisch eigentlich sehr traditionell daherkam, anzudeuten. Auch die lockere Art, in der die einzelnen Nummern aufeinanderfolgten, erweckte zumindest den Eindruck des Improvisierten, vermittelte aber in jedem Fall eine gewisse Offenheit und auch Neugier seitens der Künstler. Manche Begleitung schlug sich bei den strophischen Liedern wie das Kolophonium des Bogens auf das Griffbrett der Geige nieder - so bewusst penetrant wirkte sie auf den Hörer. Dieser anvisierte Umfang mit Einfachheit aber hatte seine andere Auslenkung meist bei mehrdeutigen Texten, die dadurch umso pointierter wahrgenommen werden konnten. Manchmal fügte Eggert einer Begleitung einfach eine weitere Schicht an Tönen hinzu, wodurch der historische Kontext erweitert, aber nicht im Sinne kompositorischer Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts außer Kraft gesetzt wurde. Gesangspartien waren dadurch nie experimentell. Sie folgten überlieferten Vorbildern des solistischen Vortrags, des zwei- und dreistimmigen Gesangs. Auch das Publikum durfte singen: Nach der musikalischen Vorstellung von Männerbünden studierte Monika Drasch einen im Schwierigkeitsgrad für Jungfrauenvereinigungen geeigneten Kanon mit dem Plenum ein.

Bei den Texten wählte Gerd Holzheimer einen Mittelweg zwischen einer Lesung und kommentierenden, frei vorgetragenen Passagen. Historische Fakten und eigene Gedankengänge wurden dabei zu einer nicht immer klar trennbaren Melange, erhielten dadurch aber eine mitunter amüsante Note. Wie anders könnte man die Beschreibung einordnen, dass die Köpfe der durch die Guillotine in der französischen Revolution Hingerichteten sauber im Körberl gesammelt wurden und heute bei Madame Tussauds bewundert werden können?

Dem zweistündigen Programm sind intensive Recherchen in historischen Quellen vorausgegangen, um diese in einer ganz eigenen Darbietung und oft in neuen Kleidern zum Leben in unserer Zeit zu erwecken. Der begeisterte Applaus des Publikums zum Schluss galt insofern nicht nur den Künstlern, sondern auch dem individuellen Umgang mit einer Periode bayerischer Geschichte. In der Zugabe gab es dann, was im Programm eigentlich noch gefehlt hatte, nämlich einen ganz veritablen Jodler, und den mit viel Heimatgefühl.

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Quelle:
SZ vom 16.05.2015
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