Fürstenfeldbruck:Zwei Künstler, ein Gedanke

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Dorothea Reese-Heim und Franz Kochseder präsentieren ihre Gemeinschaftsausstellung in der Kulturwerkstatt Haus 10.

Angelika Steer

"Nicht wissen wie es anfängt - nicht wissen wie es aufhört", so lautet der Arbeitstitel der eindrucksvollen Ausstellung, die Dorothea Reese-Heim und Franz Kochseder in der Kulturwerkstatt Haus 10 im Kloster Fürstenfeld gemeinsam mit ihren jeweils ureigenen und völlig konträren Werkmaterialien gestaltet haben. Umso erstaunlicher sind die großen Übereinstimmungen in den skulpturalen Objekten der Kunstprofessorin aus Paderborn und den Kreidezeichnungen des Münchner Grafikers und Bildhauers.

Dorothea Reese-Heim arbeitet mit Werkstoffen, die eigentlich überwiegend für industrielle Belange verwendet werden. Sie verbiegt, schichtet und verknüpft Stahlbänder, Acrylglas, PVC oder glasfaserverstärkten Kunststoff zu wunderbar luftigen Objekten. Hartes wird weich gemacht, Statisches wird in Bewegung umgewandelt. Ihren "Tanz der Medusen" hat die Künstlerin auf einer Leine diagonal durch den Ausstellungsraum gespannt, Fadenreste an den Objekten aus Kupfergewebe bezeugen den handwerklichen Umgang mit dem Material.

Aus den einzelnen, scheinbar federleichten und durchsichtigen "Stoffgebilden", hängt jeweils ein chaotisches Gewirr aus weißen PVC-Schläuchen. Eine Anspielung auf die Schlangenhaare der sagenhaften Gorgone Medusa. Doch in Haus 10 wird der Betrachter beim Anblick der Kunstwerke sicherlich nicht vor Schreck zu Stein erstarren. Dazu verkörpern die Arbeiten zu sehr Anmut und Grazie in Perfektion.

Eine surreale Traumwelt schafft die 1943 in Sindelfingen geborene Dorothea Reese-Heim mit ihrer Lichtinstallation "Interferenzen an Gittern" im kleinsten Raum der Kulturwerkstatt. An der Ausstellungswand hängen weiße und orangefarbene Objekte, Schwarzlicht verwandelt sie in rätselhafte Fluggebilde. Doch sie sind fest installiert und können sich nicht vom Untergrund lösen. Eher nüchtern dagegen ihre Arbeiten "Vase II" und "Arm I".

Zwei Reliefs, geformt aus schwarzen GFK- und PVC-Flechtbändern, die sich sowohl farblich als auch räumlich vom weißen Untergrund der Wände abheben. Der Betrachter wird vergeblich nach einer Logik in den endlosen schlaufen- und schlingenförmigen Verknüpfungen suchen. Die netzartig aufgebauten Kunstwerke entwickeln eine Eigendynamik, die bandförmigen Linien besitzen keinen Anfangs- oder Endpunkt und kehren immer wieder zu sich selbst zurück.

Die Auseinandersetzung mit der Linie ist auch ein Hauptanliegen von Franz Kochseder, dessen Exponate zudem eine fast unendliche Tiefenwirkung aufweisen. Er verwendet eigene oder fremde Abbildungen, Fotografien und Schriftbilder, vergrößert diese in Kopien teilweise bis zur Unendlichkeit und überzieht sie mit farbigen, lasierenden Kreideschichten. Dergestalt verwandeln sich die Bilduntergründe in geheimnisvolle Welten, gebildet aus linearen oder wellenförmigen Rastersystemen.

Ob nun eine Landkarte von Ligurien aus dem 14. Jahrhundert, eine Fotografie von Wasser, auf dessen Oberfläche sich das Sonnenlicht reflektiert, stets sind die Motive so stark verfremdet, dass gänzlich neue Bildinhalte entstehen. Horizontale oder vertikale Einritzungen bringen auf den bewegten Untergründen streng lineare Elemente ins Spiel. Doch neben diesen eher statischen Motiven beherrschen in der Regel geschwungene, zittrig wirkende und scheinbar unkoordiniert verlaufende schwarze Linien die gesamte Bildfläche. Sie beginnen und enden außerhalb des Bildrahmens, setzen sich über mehrere, nebeneinander platzierte Exponate fort.

Franz Kochseder arbeitet überwiegend mit der Farbe Rot in allen Abstufungen, sowie mit Orange und Gelb. Rot steht für Liebe, Leidenschaft und Lebensfreude, aber auch für Gewalt und Tod. Rot dient als Symbol für das Feuer und die Kraft des Blutes. Dergestalt überzieht der Künstler die Ausstellungswände mit einem farblich homogenen, ornamentalen Teppich aus quadratischen oder rechteckigen Einzelobjekten. Sein Orange-Rot entspricht farblich den Kupfernetzen von Dorothea Reese-Heim, ebenso sein Lineament aus Punkten und Gitterrastern. Nach eigenen Aussagen hat Franz Kochseder lediglich eine Arbeit in direkter Anlehnung an die Werke seiner Kollegin neu gestaltet. Die weiteren Übereinstimmungen sind Zufall. Schon verblüffend.

Die Ausstellung "Nicht wissen wie es anfängt - nicht wissen wie es aufhört" im Haus 10 ist Freitag von 16 bis 18 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet; bis 23. Oktober.

© SZ vom 12.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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