Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Zufall, Absicht und das Imaginäre

Im Haus 10 eröffnet die Ausstellung der drei Münchner Künstler Uwe Jonas, Stefan Zeiler und Michele Bernardi

Von Fabiana Braunstorfer, Fürstenfeldbruck

Der Prozess entsteht durch Zufall, durchwoben mit ein wenig Absicht: So beschrieb Alexander Cozens, ein Maler des 18. Jahrhunderts, seine "Klecks"-Methode. Er ließ ohne konkrete Vorstellung Farbe und Papier zusammentreffen.

Die drei Münchener Künstler Uwe Jonas, Stefan Zeiler und Michele Bernardi huldigen dem Malerei-Avantgardisten Cozens, indem sie in für den Titel ihrer aktuellen Ausstellung zitieren: "With a small degree of design." Von Samstag, 30. November, an bis 15. Dezember werden im Fürstenfelder Künstleratelier Haus 10 ihre Werke präsentiert, verteilt auf drei Räume und eine kleine Kammer. Man sieht Jonas' flächig anmutende Skulpturen, die mit Bernardis an Piktogramme erinnernde Ausstellungsstücken kontrastieren. Zeiler umrahmt die geometrischen Raumgebilde mit seinen zeichnerischen Werken und seinem Film "Zimzam". Am Samstag, 14. Dezember, wird Zeiler zudem aus seinem Prosatext "Holzer" lesen.

Eine Ausstellung im Spannungsfeld von Absicht und Glück: Die Werke verweisen auf ihre eigenen Schaffensprozesse, auf die Wirklichkeit der Welt - und doch sind sie gemacht. Denn "vielleicht steckt im Zufall System", sagt Jonas. Stahl als gegeben, Form als gemacht: Gleich im ersten Raum erblickt man eines seiner Raumgebilde, mit Leuchtröhren bestückt - ein "Fluxvektor". Auch im nächsten Raum findet sich ein solcher Vektor, ein Trapez ohne Beleuchtung. Jonas' dritte ausgestellte Skulptur ist aus der Gruppe der "Pole": eine Säule aus Stein und Stahl. "Stein ist wie ein Pigmentkorn", sagt Jonas. So wird die Skulptur eine räumlich wahrnehmbare Nahaufnahme - eine Rückführung ins Analoge, in Anlehnung an Bildschirmästhetik. "Die digitale Welt ist sehr launisch", sagt der Bildhauer. Dagegen habe eine statische Figur die Fähigkeit, Ruhe zu erzeugen. Die Bewegung liege in der Zufälligkeit des Materials begründet.

Michele Bernardis Stahlskulpturen wirken wie Illustrationen von Naturelementen. In ihrer Beschaffenheit setzen die Skulpturen gar natürliche Prozesse fort: "Das Eisen ändert sich, es rostet, weil es unbehandelt ist", sagt Bernardi. "Ich will alles zeigen, so einfach wie möglich. Auch die Schweißnähte bleiben."

Die physische Härte der Skulpturen hebt die zarten Pastellzeichnungen Stefan Zeilers hervor, deren feine Linien archaisch und zugleich symbolhaft anmuten. Er habe eine Affinität zu den Chiffren von antiken Kulturen wie der assyrischen, gibt Zeiler zu. Ihn fasziniere die "Sprache der Menschen, bevor sie das rationale Korsett über die Welt gestülpt haben."

Auch Zeilers Film "Zimzam", präsentiert im letzten Raum, spielt mit der Spannung von Darstellung und Verschlüsselung. In Island und Österreich mit kleinem Budget gedreht, hat Zeiler alles an diesem etwa zwei Stunden dauernden Film selbst gemacht. Es ist ein Künstlerdrama als verbildlichtes Rätsel. Wer ist Jorde Ensov, fragt der Erzähler und liefert eine kryptische Antwort: "Virtuell nichts" wissen wir über die mystische, weiß gekleidete Hauptfigur, die durch die absurd schönen Landschaften tanzt und Obst auf Zeichenpapier zerquetscht. Die Figur ist sichtbar - und doch auch nicht. Wie Zeiler es beschreibt: "Die Handlung führt ins Imaginäre." Dies kann als Beschreibung der Ausstellung gelten: eine Reise vom konkreten Material ins verinnerlichte Abstrakte.

Manche Besucher mögen sich nach der Besichtigung wie Forscher fühlen, die lange Zeit in ein Mikroskop geschaut haben und nun verblüfft ins sonst Gewohnte zurückkehren. Oder wie Internet-User, die Raum und Zeit vergessen haben.

Die Ausstellung wird am Freitag, 29. November, um 19.30 Uhr im Haus 10, Fürstenfeld, eröffnet. Künstlergespräch am Sonntag, 8. Dezember zwischen 16 und 18 Uhr. Filmvorführungen von "Zimzam" jeweils freitags um 16 Uhr, samstags und sonntags um 10.15 Uhr, 12.30 Uhr und 14.45 Uhr. Am Samstag, 14. Dezember, liest Stefan Zeiler von 18.30 Uhr an aus seinem Prosatext "Holzer".

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SZ vom 28.11.2019
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