Fürstenfeldbruck:Ziviler Ungehorsam jetzt und in der DDR
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Bei einem Projekttag in der Berufsschule Fürstenfeldbruck diskutieren Schüler, Landrat Thomas Karmasin und ein Mitglied der "Letzten Generation".
Von Davide De Luca, Fürstenfeldbruck
Wo Unrecht geschieht, regt sich Widerstand. Aber wann ist Widerstand legitim? Und muss er dafür auch legal sein? Am Montagvormittag stellten sich die Schülerinnen und Schüler der Staatlichen Berufsschule Fürstenfeldbruck diese und weitere Fragen zum Thema Proteste und Aufstände. In Kooperation mit dem Hamburger Verein Multivision organisierte die Schule einen Projekttag, bei dem der Themenkomplex "ziviler Ungehorsam" aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wurde. Zu einer abschließenden Podiumsdiskussion waren unter anderem Landrat Thomas Karmasin (CSU) und Ernst Hörmann von der "Letzten Generation" eingeladen.
Zu Beginn des Projekttages werden die Schülerinnen und Schüler an das Thema herangeführt. Entscheidend sind dabei zunächst Fragen wie: Welche Freiheiten werden in Deutschland durch das Grundgesetz geschützt?, oder: Welche Möglichkeiten des legalen Protests gibt es? Janni Umlauf - einer der Moderatoren des Projekttags - fragt einen Schüler, ob er ein Lieblingsfreiheitsrecht habe. Der Schüler antwortet: "Ich finde die alle super!" Die Schülerinnen und Schüler resümieren in kurzen Präsentationen das Thema Freiheitsrechte, danach spricht Mario Röllig. Er war Bürger der ehemaligen DDR und erzählt von der Zeit in einem Unrechtsstaat und darüber, was Protest für ihn bedeutet.
Röllig ist in Köpenick aufgewachsen, einem Berliner Stadtteil, der zu Zeiten der DDR ein Stadtbezirk von Ost-Berlin war. Behütet, wie er sagt. Er habe liebevolle Eltern, einen großen Freundeskreis und engagierte Lehrkräfte gehabt. Auch in der Diktatur gebe es Menschen, die vernünftig bleiben, meint er. Zum Problem wurde jedoch immer mehr "das Leben vor der Tür", also der öffentliche Raum, der zum Politikum der ideologisch ausgerichteten DDR wurde. Mario Röllig erzählt, wie sein Leben nach dem Outing als schwuler Mann in der ehemaligen DDR immer schwerer wurde. Wie er sich in einen "Westberliner" verliebte. Und wie die Stasi ihn dazu zwingen wollte seinen damaligen Partner auszuspionieren, weil dieser wegen seines Berufs für die SED interessant war.
Er weigerte sich und verlor seine Anstellung beim Flughafen Schöneberg. Mit der Situation unzufrieden unternahm er einen Fluchtversuch. Er wurde verhaftet und in drei Monaten Haft über 200 Stunden verhört und immer wieder gefoltert. "Sie haben mich nicht verprügelt, sondern psychisch gefoltert", erzählt er. "Es waren Schläge in die Seele." Mario Röllig wurde später ausgebürgert. Er habe "den Weltfrieden gefährdet und das Volk verraten", so der Vorwurf. Am 8. März 1988 verließ Mario die DDR. Noch immer feiert er zwei Mal im Jahr Geburtstag. Einmal den Tag, an dem er geboren wurde, und den Tag, an dem er in die Freiheit durfte. Mario sagt sein Protest habe einfach darin bestanden frei sein zu wollen.
Zum Abschluss dürfen Schülerinnen und Schüler mit den Teilnehmern auf dem Podium diskutieren. Die Moderatoren Janni Umlauf und Patric Dujardin vom Verein Multivision lassen die Teilnehmenden sich kurz vorstellen und geben dann den Raum für die Fragen der Schülerinnen und Schüler. "Warum müssen Sie sich an die Straße kleben?", fragt ein Schüler gleich zu Beginn. Die Frage ist an Ernst Hörmann gerichtet. Der 73-jährige ist Mitglied beim Klimabündnis "Letzte Generation". Hörmann beteuert, dass es ihm um die Zukunft der Menschheit gehe. Er sehe sich in er Verantwortung etwas zu tun. Der Grund, warum die "Letzte Generation" zu solchen Mitteln greife sei schlicht und ergreifend, dass "in 40 Jahren nichts passiert ist, obwohl wir so viel ausprobiert haben."
Landrat Thomas Karmasin entgegnet dem Aktivsten mit der Frage, wer denn jetzt entscheide, wann die Aktionen der "Letzten Generation" gerechtfertigt seien oder nicht. Das Strafrecht sei dabei recht eindeutig, meint der Landrat. Eine Frage, die er wohl besser Mario Röllig gestellt hätte. Nachdem Hörmann zu einer lautstarken Gegenrede ansetzt, wird es kurz unruhig im Saal. Die Moderatoren versuchen mehrmals die Diskussion wieder auf einer abstrakteren Ebene zu führen, was jedoch aufgrund der knappen Zeit nicht mehr richtig gelingt. "Letztlich müssen wir es schaffen gemeinsam an einem Strang zu ziehen!", fasst eine Schülerin die Diskussion zusammen.