Fürstenfeldbruck:Ziel 21 fordert Abschied von Kohlekraftwerken

Sonnenaufgang in Frankfurt/Main

Problematisch für das Klima ist der Betrieb von Kohlekraftwerken. Ziel 21 verlangt anlässlich der Weltklimakonferenz den Ausstieg.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Auch auf Kreisebene stagniert die Energiewende. Es fehlen exakte Zahlen über Verbrauch und Schadstoffausstoß

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Die Weltklimakonferenz in Bonn animiert viele Akteure zu der Forderung, es müsse endlich etwas getan werden. So verlangt der Verein Ziel 21 den schnellen Abschied von "Kohle-Schleuder-Kraftwerken". Denn wenn sich nicht "drastisch" etwas ändere, werde die mittlere Temperatur auf dem Planeten bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu vier Grad ansteigen. Wie weit allerdings die Energiewende im Landkreis gediehen ist, konnten weder der Vorsitzende des Vereins, Gottfried Obermair (FW), noch seine Stellvertreterin Ramona Weiß (CSU) sagen.

Vor 17 Jahren hat der Kreistag beschlossen, der Landkreis solle sich bis zum Jahr 2030 vollständig aus sanften Energiequellen versorgen, durch eine Halbierung des Verbrauchs und den Ausbau regenerativer Energien. Allerdings verfügen der Landkreis und der Verein Ziel 21 bis heute über exakte Zahlen zur Entwicklung des Energieverbrauchs und den Anteil der regenerativen Systeme. Allenfalls für Teilbereiche, etwa für den Stromverbrauch, liegen verlässliche Daten vor. Keiner weiß, wie hoch der Ausstoß von Schadstoffen ist, etwa von Kohlendioxid. Man begnügt sich mit Näherungswerten. Auf der Grundlage ging man im Klimaschutzkonzept des Landkreises davon aus, dass 2010 im Landkreis 1,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft geblasen wurden.

Der neue Klimaschutzmanager im Landratsamt werde solche Daten beschaffen, erklärten Obermair und Weiß dazu. "Es wurde jetzt der Auftrag erteilt, im Frühjahr 2018 wissen wir, wie hoch der Ausstoß an Kohlendioxid ist", sagte Obermair der SZ. "Wir haben versucht, die Kommunen zum Stromsektor zu befragen. Allerdings haben wir leider nur wenig Feedback erhalten und oft kaum genaue Angaben", berichtete Weiß.

Fest steht, dass die Zahl der Autos im Landkreis weiter zunimmt - sogar leicht überproportional zum Bevölkerungsanstieg. Im Frühjahr 2017 waren im Landkreis 160 000 Fahrzeuge registriert, zehn Jahre vorher waren es knapp 135 000. "Ich kann ja nicht zu den Leuten gehen und sagen: Hört auf, Auto zu fahren!", sagte Obermair dazu. Er fordere den viergleisigen Ausbau der S 4 und unterstütze den Ausbau des Busangebots im Landkreis, um Menschen zum Umsteigen zu bewegen.

Der Vorsitzende von Ziel 21 wies den Vorwurf zurück, die Energiewende im Landkreis bis 2030 sei nicht zu schaffen: "Das Projekt ist nicht gescheitert!". Bis dahin blieben noch ein paar Jahre Zeit, und vor allem aber hänge so ein lokales Projekt an den Vorgaben des Staates, der wiederum habe die Energiewende eher behindert. Obermair verwies auf die 10-H-Regelung, die den Bau von Windrädern bremst, ebenso wie die Kappung der Einspeisevergütung für Solaranlagen durch die Große Koalition aus Union und SPD.

Allerdings erwartet Obermair, der für die Freien Wähler im Kreistag sitzt, von einer Jamaika-Koalition auch nicht viel. "Ich bin enttäuscht von den Parteien und maßlos enttäuscht von den Grünen", kommentiert er das, was von den Sondierungen an die Öffentlichkeit gelangt. Debatten über eine Jahreszahl für den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor findet er sinnlos: "Wir brauchen ein Konzept für den Ausstieg, kein Datum." Das Gleiche gelte für den Ausstieg aus der Kohle und der Atomkraft. Die CSU-Kommunalpolitikerin Weiß hält auch nichts davon, ein zeitliches Ende für Benzin- und Dieselautos zu fixieren: "Wir sollten erst mal bei den Kreuzfahrtschiffen anfangen, die haben einen viel höheren Anteil am Kohlendioxid-Ausstoß." Mit diesem Problem muss sich Ziel 21 nicht herumschlagen, der letzte Dampfer auf der Amper fuhr anno 1939.

Dass der Stromverbrauch reduziert werden kann, glauben Obermair und Weiß ohnehin nicht mehr. Wenn sich das Elektroauto durchsetzt, werde der Verbrauch steigen. "Wir können froh sein, wenn wir den Verbrauch wenigstens konstant halten", sagte Obermair. Weiß hatte in einer Projektarbeit ausgerechnet, dass der Landkreis rein theoretisch auf dem Stromsektor die "Energieautarkie" bis 2030 noch erreichen könnte. Sie errechnete ein Potenzial von 920 Gigawattstunden, dem aktuell ein Verbrauch von etwa 684 Gigawattstunden gegenübersteht. Für E-Bikes und E-Autos würde also vielleicht etwas übrig bleiben, obendrein wäre es reiner Ökostrom. Die Voraussetzung wäre allerdings ein gewaltiger Zubau an Solaranlagen und Windrädern. Die beiden Windräder, die in Mammendorf und Malching laufen, produzierten 2016 etwa elf Millionen Kilowattstunden Strom. Weiß veranschlagte in ihrer Analyse einen Beitrag von 354 Gigawattstunden für die Windkraft. Um das zu erreichen, müssten noch etwa 30 Windräder im Landkreis aufgestellt werden. Obermair legt Wert darauf, die Grenzen von Ziel 21 zu beachten. "Wir können die Energiewende nur begleiten."

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