Fürstenfeldbruck:Wohnen für alle

Bruck: SOZIALER WOHNUNGSBAU / GWB-Siedlung Ettenhofer Strasse

Wohnen soll billiger werden. Die Kommunen im Landkreis wollen nun ihren Teil dazu beitragen.

(Foto: Johannes Simon)

Landrat Thomas Karmasin lenkt nach zwei Jahrzehnten ein und spricht sich für eine interkommunale Baugesellschaft im Landkreis aus. Sie soll noch in diesem Jahr gegründet werden

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Lässt sich bezahlbarer Wohnraum am besten gemeinsam schaffen? Also dadurch, dass die Gemeinden im Landkreis kooperieren? Diese Frage wurde im Kreistag über Jahrzehnte verneint. Nun zeichnet sich ab, dass es noch in diesem Jahr zur Gründung einer interkommunalen Wohnungsbaugesellschaft mit Beteiligung des Landkreises kommt. Michael Schanderl (FW), Bürgermeister von Emmering und Kreisvorsitzender des Gemeindetags, ist jedenfalls "zuversichtlich", dass es ein solches Unternehmen bis Ende Dezember geben wird.

Der Meinungsumschwung ist dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum geschuldet, der nicht nur für Einheimische und hier ansässige Firmen, sondern inzwischen auch für die Kommunen zum Problem geworden ist. Auch weil sich zunehmend Pflegekräfte, Krankenschwestern, Erzieherinnen, Verwaltungsmitarbeiter der Gemeinden, Polizisten oder auch Handwerker und Angestellte mit einem normalen Einkommen hier keine Wohnung mehr leisten können, ist für die Kommunen eine gemeinsame Gesellschaft attraktiv geworden. Würden sie sich doch mit einem solchen Schritt die Infrastruktur für den Wohnungsbau schaffen, der zu ihren Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge gehört.

Schanderl arbeitet seit Monaten konsequent auf das Ziel hin, künftig beim Wohnungsbau zu kooperieren. Die grundsätzliche Bereitschaft dazu sei da, beteuert er. Klar ist auch das Ziel, in nächster Zeit möglichst viele kommunale Wohnungen zu errichten, bei denen die Miete pro Quadratmeter bei etwa zehn Euro liegen sollte. Das wäre in etwa ein Drittel weniger, als zurzeit für Neubauwohnungen verlangt wird. Das würde Einheimischen ermöglichen, im Landkreis zu bleiben, ihnen einen gewissen finanziellen Freiraum verschaffen, und sie nicht länger zwingen, ihr letztes Geld für die Miete zusammenzukratzen. Offen ist noch, wie viele sich an dem Unternehmen beteiligen werden, also ob acht, zehn oder 15 der insgesamt 23 Kommunen im Landkreis mitmachen werden. Ebenfalls ungeklärt ist auch die Gesellschaftsform. Angestrebt wird eine Lösung, mit der die höchsten staatlichen Zuschüsse zu bekommen sind, die zurzeit großzügig gewährt werden.

Da die Modelle unterschiedlicher Gesellschaften auf dem Tisch liegen, geht es laut Schanderl nun darum, sich endlich zu entscheiden und zu starten. "Viele wippen auf dem Sprungbrett, aber keiner springt", so beschreibt Landrat Thomas Karmasin (CSU) die Situation. Kommt es nicht zu einer landkreisweiten Gründung, stehen laut dem Puchheimer Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) mit Olching, Fürstenfeldbruck, Puchheim und Gröbenzell vier Kommunen bereit, allein loszulegen. Dieser Kern bereitet schon seit Längerem einen solchen Schritt vor, hofft aber noch auf mehr Mitstreiter. Wenn man etwas bewegen will, braucht man einen großen Hebel, und dieser ist laut Seidl umso größer, je mehr Beteiligte es gibt. Angestrebt wird eine Lösung, bei der jede Kommune gleichberechtigt ist, also gleiches Stimmrecht hat, jede ein gleich hohes Gesellschaftskapital von etwa 10 000 Euro einbringt, und jeder Gesellschafter Eigentümer der von ihm in Erbpacht eingebrachten Grundstücke und der von ihm finanzierten Wohnungen bleiben soll. Die Kommunen bekommen als Gesellschafter im Gegenzug das Belegungsrecht. Zudem profitieren sie über steigende Grundstücks- und Wohneigentumspreise vom Wertzuwachs ihrer Wohnimmobilien.

Auch Landrat Karmasin ist nicht mehr der Blockierer, der er zwei Jahrzehnte lang im Kreistag war. Er hatte in der Vergangenheit jeden Antrag von Peter Falk (SPD), mit den anderen Landkreis-Kommunen die Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft zu initiieren, mit dem Hinweis abgelehnt, der Landkreis sei im Gegensatz zu Gemeinden für Wohnungsbau nicht zuständig. Die Kollegen des Landrats im Münchner Umland hat dies laut Falk nicht gehindert, trotzdem auf diesem Gebiet erfolgreich tätig zu werden.

Zwei Gründe brachten Karmasin zum Einlenken. Das ist zum einen die Aussicht, ein Belegungsrecht für Mitarbeiter von Landratsamt und Kreisklinik zu bekommen. Neuem Personal eine preisgünstige Wohnung anbieten zu können, "wäre ein Riesen-Wettbewerbsvorteil" bei der Einstellung von Fachkräften, sagt Karmasin. Zudem habe er eingelenkt, weil er es prinzipiell gut finde, wenn interkommunal gearbeitet wird. Ins Auge gefasst wird auch die Möglichkeit, über das gemeinsame Unternehmen bei der Fliegerhorst-Konversion vom Bund zum Vorzugspreis Wohnbaugrundstücke zu erwerben. Interkommunale Zusammenarbeit ist für Karmasin und Schanderl kein Neuland. Gute Erfahrungen machten sie bei einer räumlichen Entwicklungsstrategie für den Landkreis, einer Blaupause für Planungen bis zum Jahr 2040, die so etwas wie ein Leitfaden für die weitere Gewährung von Baurecht sein soll. Erfolgreich kooperiert wurde auch bei einem gemeinsamen Standortkonzept für den Bau von Windrädern, das jedoch seit der restriktiven bayerischen 10-H-Regelung auf Eis liegt.

Für Puchheims Bürgermeister Seidl lautet die Gretchenfrage, ob die Kommunalpolitiker dazu bereit sind, nicht mehr in den engen Grenzen ihrer Gemeinde zu denken, sondern den Landkreis als übergeordnete Einheit zu sehen. Geschehe das, könne jeder in die Gesellschaft einbringen, was er habe, Baugrund, Geld, oder beides. Im Gegenzug erhalte die Kommune dafür das Recht, Wohnungen zu belegen. Nach Ansicht von Kreisrat Falk kann eine solche Gesellschaft viel kostengünstiger arbeiten als private Unternehmer, weil bei einem Kommunalunternehmen die Bauträger- und Eigentümergewinne wegfallen und die Mietgewinne reinvestiert werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: