Fürstenfeldbruck:Wie in einem Horrorfilm

Landgericht verhandelt über einen schweren Fall der Nachstellung

Von Andreas salch, Fürstenfeldbruck

Als er sich im Juni diesen Jahres vor dem Landgericht München I verantworten musste, warf er einen Ordner nach dem Richter. Martin S. soll einer Frau aus dem östlichen Landkreis über Jahre hinweg nachgestellt und dabei nicht nur sie auf unfassbare Weise terrorisiert und bedroht haben, sondern auch deren Familie sowie Nachbarn und Bekannte. Am Dienstag begann der Prozess erneut. Denn in der Verhandlung im Juni hatte der Vorsitzende Richter der 8. Strafkammer entschieden, dass auch noch ein psychiatrisches Gutachten zu den Folgen der Nachstellungen für das mutmaßliche Opfer erstellt werden müsse.

Auch diesmal begann die Verhandlung mit einem Eklat. Als Martin S. von drei Wachtmeistern in den Sitzungssaal geführt wird, beleidigte er zunächst seine Verteidigern aufs Gröbste. Zuschauern zeigte er den Mittelfinger und schrie: "Ich möchte aus dem Prozess austreten." Nach dem Willen der Staatsanwaltschaft soll der gebürtige Münchner in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik untergebracht werden. Laut Diagnose von Ärzten leidet S. an paranoider Schizophrenie. Als die Vertreterin der Staatsanwaltschaft damit begann, die Anklage zu verlesen, unterbrach S. die Verhandlung wiederum, indem er lauthals "lala la la" sang. Zur Staatsanwältin sagte er: "Das kannst Du vergessen, was Du da vorliest." Das mutmaßliche Opfer von Martin S. kann das bis heute nicht.

Die 47-Jährige leidet nach wir vor daraunter, was ihr Martin S. angetan haben soll. Die beiden lernten sich vor etwas mehr als 30 Jahren kennen. Als das mutmaßliche Opfer davon erzählte, wie alles begann, war Martin S. schon längst wieder in einer Zelle. Denn Richter Gilbert Wolf hatte S. aufgrund der Bedrohungen und Beleidigungen, die er gegen sämtliche Prozessbeteiligte ausgestoßen hatte, von der Verhandlung ausschließen lassen.

Die Freundschaft zwischen dem mutmaßlichen Opfer und dem Angeklagten endete 1992. Martin S. soll damit begonnen haben, der heute 47-Jährigen nachzustellen, nachdem diese keine engere Beziehung mit ihm hatte eingehen wollen. S. soll daraufhin die Reifen am Auto der Frau zerstochen, ihr nachts aufgelauert, Türen und Schlösser verklebt sowie Schmierereien am Haus von deren Eltern angebracht haben. Dann, so schien es, als sei der Spuk vorüber. Doch dem war nicht so.

Um die Jahre 2003/2004 soll es wieder losgegangen sein. Martin S., so die Staatsanwaltschaft, habe sein Opfer beziehungsweise deren Eltern ständig angerufen und beobachtet. An ein Kontaktverbot, das gegen ihn ergangen war, hatte sich S. nicht gehalten. Deshalb kam es im November 2006 zu einem Verfahren vor dem Landgericht München II. Die Staatsanwaltschaft hatte die Unterbringung von Martin S. in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik beantragt. Der Antrag jedoch scheiterte aus einem formalen Grund. 2014 begann für die Frau aus dem östlichen Landkreis der Horror aufs Neue. "2014 war ganz, ganz schrecklich", sagte sie in der Verhandlung an diesem Dienstag. Die Nachstellungen und Bedrohungen seien derart eskaliert, dass sie zusammengebrochen sei. Sie habe sogar an Selbstmord gedacht, so die 47-Jährige. Obwohl Martin S. jetzt eingesperrt ist, habe sie nach wie vor Angst vor ihm. Der Prozess dauert an.

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