Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Die Armut im Blick

Hungermarsch der Katholischen Arbeitnehmer endet in Kreisstadt

Seit 40 Jahren organisiert die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) der Erzdiözese München-Freising einen "Hungermarsch". Ursprünglich sei es die Absicht gewesen, mit einer Solidaritätsaktion einmal im Jahr auf die schlechten Lebensbedingungen in Teilen Asiens, Südamerikas und Afrikas aufmerksam zu machen, erklärte Diözesansekretär Rainer Forster am Samstag bei der Abschlusskundgebung am Alten Rathaus in Fürstenfeldbruck. Alfred Bichler aus Gernlinden leitet den KAB-Kreisverband. Er freute sich, dass der "Marsch für eine bessere Welt" diesmal in Fürstenfeldbruck und damit in seinem Kreisverband endete. Ziel der Aktion ist es, Anstöße zu einer Änderung der Lebenseinstellung zu geben.

Da sich die Schere zwischen reich und arm auch in Europa zunehmend öffne, will die KAB auch zur Solidarität mit denen aufrufen, die im Zuge der raschen wirtschaftlichen Entwicklung auf der Strecke blieben und somit für mehr Gerechtigkeit eintreten, sagte Forster. Sollten die Freihandelsabkommen TTIP und CETA wirklich kommen, werde die Ungerechtigkeit zunehmen. Im Fahrwasser von Papst Franziskus, der die Missstände in der Welt anprangere, ergebe sich die Gelegenheit zu zeigen, dass die katholische Kirche die Probleme aller Menschen im Blick habe.

Begonnen hatte die Solidaritätsaktion am Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen am 20. Juni, in Landshut. Weitere Stationen waren Mühldorf, Erding, Freising und Dachau. Immer mit dabei der Berliner Ralph Boes, der seit Jahren gegen die Ungerechtigkeit in Deutschland ankämpft, und der bayerische Liedermacher "Turbo-Lenz" (Stefan Lenz aus Dorfen bei Erding), der mit teils provokanten Texten "Disparitäten in der wirtschaftsdominanten Welt" aufzeigen wollte. "Berliner Schnauze und Bayerischer Barde", irgendwie harmoniert das", fand ein Zuhörer. Mehr als 30 waren es aber kaum, die dem Protest durchgehend lauschten. Weil immer wieder Passanten stehen blieben, erreichte die Aktion vie mehr Menschen.

Wir wollen Transparenz und demokratische Beteiligung, dass Arbeitnehmerrechte und Sozialstandards nicht ausgehebelt, Justiz und Parlamente nicht eingeschränkt und Kommunen sowie die regionale Wirtschaft gestärkt werden, stand auf einem Plakat. Das zielte auf die Freihandelsabkommen, die laut Boes nur den Zweck haben, einigen wenigen auch in Zukunft große Gewinne zu sichern. Politik und Wirtschaft hätten sich längst verschwistert, es gehe den Mächtigen nur noch um Gewinnmaximierung. Das Soziale spiele keine Rolle mehr, wetterte Boes. Der Mensch werde nur noch als Konsument und Arbeitskraft gebraucht. Er müsse funktionieren. Der Streit um die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa zeige, dass der Mensch nur danach bewertet werde, ob er wirtschaftlichen Interessen dienlich ist. Kein gutes Haar ließ der Redner am Hartz-IV-System, mit dem die Menschenwürde mit Füßen getreten werde. Arbeitslose würden trotz freier Berufswahl zu Tätigkeiten gezwungen, die sie nicht machen wollten, wer sich weigere, werde mit Sanktionen belegt, um ihn gefügig zu machen. Hartz IV sollte durch ein Grundeinkommen für alle ersetzt werden.

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SZ vom 29.06.2015 / mann
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