Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Wie beim ersten Kuss

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An den sieben Gymnasien im Landkreis erhalten 656 Abiturienten ihre Zeugnisse. Ein Jahr früher als bei ihrer Einschulung geplant.

Petra Fröschl

Das hätten sie sich nie und nimmer träumen lassen, als sie vor acht Jahren in die fünfte Klasse kamen: Ein Jahr früher - und deutlich jünger - als geplant haben am Freitag 656 junge Frauen und Männer im Landkreis ihre Abiturzeugnisse in Empfang genommen. Aufgrund dieser "größten Überraschung unserer Schulzeit", wie es die Carl-Spitzweg-Absolventinnen Maria Hermann und Veronika von Dehn formulierten, war es nicht weiter verwunderlich, dass die Einführung des G8 die Reden an allen sieben Gymnasien dominierte - und mit Kritik nicht gespart wurde.

Junge Frauen in High Heels und schicken Kleidern, männliche Altersgenossen in schwarzen Anzügen und jede Menge stolze Eltern waren am Freitag in Germering, Fürstenfeldbruck, Olching, Puchheim und Gröbenzell zu sehen. Denn an den Gymnasien wurden die ersten Abiturienten verabschiedet, die - zumindest im Regelfall - nicht mehr 13, sondern nur noch zwölf Jahre die Schulbank drückten.

"Es war eine Premiere ohne Generalprobe", formulierte es Robert Christoph, der Leiter des Max-Born-Gymnasiums in Germering. Sein Puchheimer Kollege Georg Baptist erinnerte an die Regierungserklärung von Edmund Stoiber, in der dieser zwei Monate nach Begrüßung der Puchheimer Fünftklässler, die jetzt als Abiturienten vor ihm stehen, die Einführung des G 8 verkündete. Diese sei heute jedoch fraglich. "Niemand spricht mehr von einer Überalterung unserer Schulabgänger oder gar von einer mangelnden Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft", sagte Baptist.

Auch andere Schulleiter und Elternvertreter gingen mit dem achtstufigen Gymnasium hart ins Gericht. Johannes Schwarzlmüller, Elternbeiratsvorsitzender am Carl-Spitzweg-Gymnasium, kritisierte dessen überstürzte Einführung, dadurch bedingte Engpässe bei den Schulbüchern und spielte sogar ein Stoiber-Zitat vor. "Kein Kultusminister war so ausdauernd wie ihr", sagte er an die Abiturienten gewandt - "mittlerweile ist schon der dritte am Rudern." Viscardi-Chef Walter Zellmeier verglich das G8 mit einem Experiment, in dem die Schüler zu "Labormäusen" wurden und den "Bildungscocktail" per Trichter eingeflößt bekamen, dessen Durchlauf die Politik im Vergleich zum G9 einfach vergrößert habe.

Und Robert Christoph zog Parallelen zum ersten Kuss: Wie das G8 sei dieser von Unsicherheiten begleitet und hinterlasse einen bleibenden Eindruck. Möglichkeiten des Nachjustierens, wie heuer vom Kultusministerium ermöglicht, gebe es aber nicht. Christoph kam auch auf das jüngere Alter seiner Absolventen zu sprechen: "Wir hätten euch noch gerne länger bei uns gehabt", sagte er.

Auch von Schülerseite hagelte es Kritik, mal ernster, mal humorvoller verpackt. "Das G8 an sich müsste nicht schlecht sein, wäre es ordentlich geplant und nicht als politisches Druckmittel übers Knie gebrochen worden", sagten etwa die CSG-Rednerinnen von Dehn und Hermann. Weiterer Nachteil: Noch nicht alle Absolventen seien volljährig - einige bräuchten noch die Erlaubniserklärung ihrer Eltern, um auf die eigene Abiturparty gehen zu können. Sie wehrten sich jedoch dagegen, als Kinder behandelt zu werden.

Am Max-Born-Gymnasium sehen laut Abi-Zeitung 90 Prozent der Schüler das G8 kritisch. "Das eine Jahr nervt", meinten die Redner. Landrat Thomas Karmasin konnte die Kritik allerdings nicht so recht nachvollziehen. "Ein Jahr Schulzeit zu sparen, mich hätte das gefreut", meinte der CSU-Politiker.

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Quelle:
SZ vom 02.07.2011
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